„Bitte nicht noch ein Zombiespiel“ möchte so mancher sagen, allerdings hat er dabei die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Dying Light hat in diesem Sinne nichts mit den anderen Titeln zu tun, die sich grob umschrieben als Zombie-Survival-Spiel darstellen. In gewissem Maße ist das hier auch der Fall, aber die Action steht hier ganz weit oben auf der Liste. Ein Genre-Mix, der bis Dato noch nicht auf den Zetteln der Zocker stand, denn mit Dead Island, gepaart mit Mirrors Edge und der Ego-Perspektive geht es nicht nur über Tische und Bänke, sondern über Eisenbahnen, Häuser, Hallen, Zäune, Autos und allem, was eine typisch türkische Stadt so ausmacht. Der Kampf um die Döner und Köfte hat also begonnen, wobei man sich schon die Frage stellen kann, wie lange sich so ein grüner Dönerspieß mit Pelz wohl halten mag. Der Test wird`s zeigen.
Story
Es beginnt mit einem Flug in Richtung Harran, einem türkischen Kleinod, welches nach dem Ausbruch eines mysteriösen Virus von der Außenwelt abgeriegelt und isoliert ist. Der Protagonist namens Kyle Crane, seines Zeichens US-Spezialagent, hat nun die Aufgabe, mittels eines Absprungs mit einem Fallschirm in die besagte Stadt zu kommen, um für die Hilfsorganisation GRE eine äußerst wertvolle Akte zu besorgen. Dass diese Aufgabe aber sowas von überhaupt nichts mit dem Besorgen von Krimskrams, welcher uns die Mutti auf den Einkaufszettel für den Tante Emma-Laden gekritzelt hat, zu tun haben wird, sollte wohl jedem, der bei klarem Verstand ist, vorhersehbar sein.
So kommt es, wie es kommen muss: Wir landen gekonnt ungekonnt und verheddern uns bei der Landung, sodass wir uns erst einmal aus dem Wirrwarr rausschneiden müssen. Die anschließende Landung ist ebenfalls misslungen und wir verstauchen uns die Knochen und können vor Schmerz kaum geradeaus gucken. Sofort kommen aus den umliegenden Ecken bedrohliche Geräusche und siehe da, die Zombies haben uns entdeckt. Prompt werden wir gebissen und werden nach schwerem Handgemenge von einem Trupp Helfer in Sicherheit gezogen.
Irgendwann in einem Mordsturm aufgewacht geht es los, die Aufgaben zu lösen und in erster Linie Antizin nebst anderen Waren und Waffen zu besorgen, da wir ohne das Antidot langsam, aber totsicher, anfangen, uns in eine der scheußlichen Kreaturen zu verwandeln, um dann seelenlos und dürre in einer berühmten Mode-TV-Sendung mit Heidi Klum als Klappergestell mit Gucci-Tasche aufzutreten.
Wie man sicherlich schon erkennt, wird hier das Zombie-Genre neu geschrieben und keinerlei Patos und Klischee verwandt, um die Story irgendwie verständlich und einigermaßen logisch auf die Kette zu kriegen (*Ironie aus*). Die Story selbst ist zwar hanebüchen, hat aber trotzdem seinen Reiz und solange es keine Haie vom Himmel regnet und fiese Nazi-Zombies vom Mars in den Kellern ihr Unwesen treiben, ist doch alles in Butter und wir können entspannt dem Handlungsstrang folgen. Obwohl das mit dem „entspannt“ beflissen abgehakt werden kann, aber später dazu mehr.
Single/Multiplayer
Hier gibt sich Dying Light von seiner starken Seite. Als Einzelkämpfer ist man in der Kampagne bei flotter Spielweise nach etwa 15 Stunden am Ziel, wenn man sich nicht den ganzen Nebenaufgaben hingibt. Es wäre allerdings auch eine Sünde, diese Nebenquests einfach links liegen zu lassen, denn es gibt wahrlich jede Menge zu tun. Die Aufgaben sind zwar teils repetitiv und austauschbar, machen aber dennoch Spaß.
Die Multiplayerpartien lassen sich im Nu in jeder Safe-Zone generieren und viel Spaß verbreiten.Alleine ist oft langweilig!Nach kurzer Singleplayer-Spielzeit hat man sich dann auch den Koop-Modus freigespielt, den man sich wirklich zurechtschneidern kann. Öffentlich sichtbar, nur privat, nur Freunde, je nach Gusto kann man sich mit anderen Spielern verbinden und die Kampagne mit bis zu drei Freunden durchzocken. Lediglich der Schwierigkeitsgrad sinkt dann aber schwer, denn es werden weniger Gegner generiert und der Loot muss geteilt werden.
Man kann sich im Multiplayer-Mode auf die andere Seite schlagen und in die Fladderhaut eines Nachtjägers schlüpfen. Deutlich überlegen kann man mit Tentakeln weite Strecken überbrücken und One-Hit-Kills austeilen.
Gameplay
Die Art, Dying Light zu bewältigen, gab es schon einmal in dem berühmten Action-Reißer Mirros Edge, als man mit der entzückenden Faith über Stock und Stein, bzw. eher über Haus und Wolkenkratzer in eleganter Art und Weise im Parkour-Style gesprungen, gelaufen und geglitten ist, um dem Feind gehörig den Digi-Hintern zu versohlen. Wenn man dieses Gameplay mit dem Zombie-Idyll Dead Island aus dem Jahre 2011 verbindet, hat man eigentlich das Gameplay schon einmal grob, aber vortrefflich umschrieben.
Mit einer Waffe ausgerüstet geht es durch enge Straßenschluchten, über Zäune, Balkons, Vorsprünge, Container und diverses anderes Zeug und man versucht, die Aufgaben, die von den Gruppenchefs der einzelnen Security-Areas an uns weitergegeben werden, zu erfüllen, ohne von einem der mies gelaunten und schlecht gekleideten Gesellen auf den Straßen angefallen zu werden. Heino-Fans mag halt nicht jeder und das ist auch gut so.
Man kann versuchen, auf leisen Sohlen durch`s Gehöft zu flanieren, aber meist gehen solche Schleicheinlagen schief, denn die Beißer sind krass in der Überzahl und bewegen sich zudem auch noch. Überflüssigerweise werden die Sabberlappen von Geräuschen aller Art angezogen, was einerseits nachteilig für die Erfüllung der Aufträge sein kann, andererseits kann man die Dinger beispielsweise mittels Böller ablenken, um Fallen auf den Straßen scharf zu machen oder in „Ruhe“ ein paar Kisten zu durchsuchen. Das Spielprinzip der Vertikalität ins Spiel zu integrieren, hat dem Titel mehr als gut getan, denn so kann man sich meist aus vermeintlich ausweglosen Situationen an einem Balkon oder Sonnendach hochziehen, um dem Fleischfressermob zu entgehen.
Teilweise ist es zwar etwas frustrierend, wenn man einen supergenauen Sprung timen will und im Eifer des Gefechts von einem Balken in die Tiefe fällt und so die Energie oder gar sein Leben verliert, aber im Zuge der Zeit verbessern sich auch die Fähigkeiten des Charakters im Bereich Power, Agilität, Waffenkunde etc., was auch wirklich vonnöten ist. Anfangs kommt man sich vor, als wäre man Hans, der Vortänzer aus der Fischfabrik und fragt sich, wie so ein Weichei den Einstellungstest zum Special Agent geschafft hat, denn drei oder vier Schwünge mit der Waffe und der Gute jappst aus dem letzten Loch und muss sich erst einmal erholen. Sowas kennt man von Special Agents nicht, zumindest, wenn man den Fernsehserien Glauben schenken darf.
Leider gibt es diese Ungereimtheiten auch bei den Waffen. Man stelle sich vor, man hat ein strammes Rohr in der Hand (Freunde, man kann euch grinsen sehen…) und schlägt einem Zombie das Ding dreimal auf die Zwölf und die Meldung erscheint, dass dieses Rohr mittels Taste „R“ repariert werden muss, da es sonst nicht mehr funktionstüchtig sei. Das passiert leider nicht nur mit dem Rohr, auch mit anderen Waffen und Gegenständen kann man nur kurzfristig um sich schlagen und den Kreaturen das Mett aus dem Helm dreschen. Diese zwei Punkte stören das Gameplay anfangs gewaltig und es bleibt abzuwarten, ob da noch eine Runde Balancing diesen Missstand etwas behebt. Bessere bzw. wertvollere Waffen halten dann aber doch deutlich länger, jedoch ist jede Waffe nur für eine geringe Anzahl reparierbar. Ansonsten kann man das Gameplay so als gelungen stehenlassen.
Grafik & Sound
Fieser wird es allerdings, wenn die gute Sonne untergeht, denn da kommen die richtigen Granaten aus den Löchern gekrochen. Ähnlich agil wie wir verfolgen die Biester einen über die Gehöfte und vermiesen einem den netten Abend. Allerdings gibt es für die Mutigen unter uns auch mehr Punkte zu kassieren, denn des Nachts ist das Spielen gegen die Schattenjäger viel schwieriger und wird mit mehr Belohnungen versüßt, wenn man es denn überlebt. Bosskämpfe runden das Spiel natürlich ab und jede Menge cooler Loot wird dabei fallen gelassen.
Das geht von martialischen Waffen wie Betonkeulen bis hin zu wertvollen Päckchen mit Antizin, Nahrungsmitteln, Munition und anderen, brauchbaren Utensilien, die einem das Leben in Harran durchweg leichter machen.
Hier sind wir beim Highlight des Spiels angekommen. Grafisch macht das Spiel wirklich viel her. Die Landkarte ist gespickt mit gut aussehenden Gebäuden mit vielen Einzelheiten. Teil zerfledderter Sonnenschutz weht im Wind, Gasflaschen, die nebst anderen Körben und Kisten die Höfe, Balkons und Terassen bevölkern. Kleine, durch die Luft fliegende Partikel reflektieren das Sonnenlicht und der Tag/Nacht-Wechsel ist ebenso gut gemacht wie angsteinflössend. Der Unschärfe-Effekt bei Gebäuden im Hintergrund, die enorme Weitsicht und das ganze Drumherum machen das Spiel wirklich sehenswert bei Tag, während man es bei Nacht wirklich mit der Angst zu tun kriegt. Kaum was zu sehen und schaurige Lichteffekte lassen einem die Unterwäsche in erdige Farbtöne tauchen, wenn die fiesen Gesellen einen aus dem Dunklen angreifen. Leider ist die Qualität bei den Objekten nicht immer gleich. In Containern bekommt man es statt mit einzeln modellierten Gegenständen wie Dosen, Kisten oder anderem Kram zu tun, stattdessen wird eine Polygonmatte mit einer „Mülltextur“ präsentiert. Schade, denn das trübt nicht den Spielspaß, aber Grafikfetischisten sehen solche Fauxpas` nicht so gern.
Anders der Sound. Hier wird nebst der teils melancholischen Musik ein durchweg gelungenes Feuerwerk der Effekte präsentiert. Die Viecher klingen einfach nur genial und des Nachts ist wirklich eine Windel notwendig, wenn man nicht seine Unterwäsche an sich verschandeln möchte. Die Effekte lassen einem wahrlich das Blut in den Adern gefrieren oder den Puls nach oben treiben, wenn man es mit einer Übermacht zu tun bekommt oder im Dunkeln ein Monster unvermittelt angesprungen kommt.
Lediglich die Sprachausgabe ist etwas schwächer gelungen, denn die Dialoge sind vom Charakter her teils vergleichbar mit dem Brain-TV, welches ab 15 Uhr auf RTL und dergleichen läuft. Eine Frage wirft sich dennoch auf: Warum haben in einer türkischen Stadt soviele NPC`s einen Akzent, der eher nach einem Osteuropäer klingt? Die Antwort bleibt einem verwehrt. Ansonsten gibt sich Dying Light hier sehr souverän und die Grafik sowie der Sound wissen absolut zu gefallen.
Wer einen Survival-Titel à la DayZ oder H1Z1 sucht, der ist hier wirklich fehl am Platz. Bei Dying Light geht es es eher ums Sammeln und Horten im Stile eines Diablo, wobei eine Schar von stets freundlichen Zombies einem ans Leder will. Die Jagd nach Antizin gestaltet sich sehr actionhaltig und gekonnt im Parkour-Stil und das Gekloppe und Gehüpfe quer durch den Großraum Harran ist ein teils vergnüglicher, nachts eher stressiger Zeitvertreib, denn suboptimale Sichtweite durch mangelhafte Ausleuchtung des Gebietes aufgrund der erdabgewandten Stellung unseres Sterns lassen einem extrem den allseits bekannten „Kupferbolzen“ immer wieder „Guten Tag“ sagen. Umfangreiches Loot und lustige Bastelwaffen lassen das Zombieklatschen trotz der teils sich wiederholenden Missionen immer wieder als lohnenswert erachten und man ertappt sich immer wieder dabei, nach Spielschluss das Ding doch noch einmal kurz anzuwerfen, um die noch ausstehende Aufgabe doch noch zu erledigen. Grafik und Sound packen ihr Übriges noch dazu, um den Spielspaß aufzuwerten. Einzig die nervige Ausdauer (zumindest anfangs) und die mangelhafte Haltbarkeit der Waffen stören das Gameplay, aber es ist ja noch nicht aller Tage Abend, Freunde!