Man nehme Resident Evil, The Last of Us, Silent Hill, Outlast, Amnesia, Saw, Splinter Cell, Uncharted und beliebige weitere Horrorspiele und Shooter, rühre gut um, füge reichlich Blut und Gedärme hinzu und fertig ist The Evil Within. So oder ähnlich könnte das Rezept lauten, das das Studio Tango Gameworks rund um den Resident-Evil-Erfinder Shinji Mikami beim Entwickeln des Horror-Shooters einsetzt. Einen Vorteil hat die wilde Mischung aus allerlei Horror-Klischees jedoch: Langweile kommt so schnell nicht auf. Statt also Kapitel über Kapitel Wellen von Zombies abzuschlachten, bietet jedes Kapitel neue Herausforderungen in Form neuer Gegner, Fallen und Umgebungen. Wie gut der neue Survival-Horror wirklich ist, haben wir für euch getestet.
Story
Das Spiel beginnt mit dem Polizisten Sebastian Castellanos, der zusammen mit seinen Partnern Kidman und Joseph zu einem blutigen Tatort gerufen wird. Was dann geschieht, lässt die Grenzen zwischen Realität und Wahnsinn verschwimmen, als Sebastian Castellanos kopfüber in einer Halle voller Leichen aufwacht und von einem Schlächter mit Kettensäge verfolgt wird. Ist dies überstanden, trifft der Protagonist auf den Doktor Marcelo Jimenez, der nach seinem geistig gestörten Patienten Leslie sucht. Im Laufe des Spieles erfährt Sebastian Castellanos über die grausamen Versuche, die Marcelo Jimenez zusammen mit seinem Partner Ruvik an Patienten durchführte, um deren Gehirne zu koppeln und Emotionen zu teilen. Doch Ruvik wollte mehr Macht und herrscht nun über die Gehirne aller Protagonisten. Als unbesiegbarer, teleportierender und mit einer Berührung tödlicher Gegner taucht Ruvik immer wieder auf.
Wer auf tiefsinnige Dialoge á la The Last of Us hofft, ist bei The Evil Within allerdings falsch: In den meisten Fällen sprechen die Protagonisten nur das ohnehin offensichtliche aus, die Dialoge wirken im Allgemeinen stumpf. Auf die Spitze getrieben wird dies, wenn Sebastian Castellanos nach mehreren Kapiteln durchgestandenen Schreckens gegenüber seinem Partner bemerkt, es ginge etwas Merkwürdiges vor sich. Hier hätten sich die Entwickler etwas von The Last of Us abschauen können, das mit einer tiefgründigen Story und abwechslungsreichen Dialogen zu überzeugen weiß.
In The Evil Within dagegen kommt die Storyline weniger durch die verpfuschten Dialoge als vielmehr durch die gefundenen Fragmente und die erlebten Horrormomente zum Tragen. Als Sebastian Castellanos findet ihr immer wieder Erinnerungen wie Tagebucheinträge oder die Einladung zur eigenen Hochzeit. Dann verschmelzen die gefundenen Elemente mit der Handlung. Das Bedürfnis, zu erfahren, was eigentlich vor sich geht, ist eine stetige Motivation mit dem Spiel fortzufahren, auch wenn es oft schwer ist, den unterschiedlichen Handlungssträngen zu folgen.
The Evil Within schafft es, den Wahnsinn durch eine Zerstückelung der Story darzustellen. Ob das nun auf Kosten einer guten Story geht oder ob diese gerade darin besteht, muss wohl jeder für sich selbst entscheiden. Schon das erste Kapitel spielt in einer Irrenanstalt und verfolgt werdet ihr von einem Monster mit Kettensäge – neu ist das alles nicht, doch The Evil Within erzeugt die bedrückende Atmosphäre des Wahnsinns gerade dadurch, dass der Spieler in all dem unvorstellbaren Grauen bekannte Elemente findet. Eigene Innovationen bleiben jedoch weitestgehend aus. Eine Sache unterscheidet The Evil Within jedoch von vielen anderen Spielen: Euer Gegner bleibt mysteriös. Anstatt blutverschmierter Zombies oder einem nach Blut sinnenden Alien ist der Gegner in The Evil Within nicht genauer definiert und tritt in allen erdenklichen Formen in Erscheinung. Die Bedrohung ist allgegenwärtig.
Gameplay
The Evil Within ist kein Shooter, in dem ihr mit einem MG die Gegner niedermäht, sondern ein Survival-Horror, bei dem Munition und Leben knapp sind. Deshalb steht das kluge Ausnutzen von Fallen auf der Tagesordnung – denn wer Munition verschwendet, wird schon bald in den Nahkampf kommen, welcher nicht wirklich empfehlenswert ist, da ihr hier sehr schnell an Gesundheit verliert und mit bloßer Faust Gegner nur schwer besiegen könnt. Die raren Nahkampfwaffen wie Äxte sind schon nach einmaligem Gebrauch nutzlos. Neben Munition sind auch die Streichhölzer knapp, mit denen ihr am Boden liegende Gegner anzünden könnt, damit diese nicht wieder aufstehen. Um Munition zu sparen ist es auch hilfreich, einen Schleichangriff von hinten zu wagen. Zu beachten ist, dass im Schleichmodus nicht geschossen werden kann, was mitunter ärgerlich ist, gerade wenn man von anderen Shootern gewohnt ist, aus der Hocke zur Verringerung des Recoils zu schießen. An manchen Stellen wird das fehlende Schießen im Schleichmodus jedoch zur echten Herausforderung, etwa, wenn man in einer Röhre ist, die von beiden Seiten von Gegnern umzingelt ist.
Gerade bei Bossfights hilft neben den normalen Waffen wie Revolver, Schrotflinte und Scharfschützengewehr die Qualenarmbrust. Mit dieser könnt ihr verschiedene Pfeile abschießen, die Gegner beispielsweise erstarren, gefrieren oder explodieren lassen und ihnen so erheblich größeren Schaden zufügen als dies bei normalen Waffen der Fall ist. Neue Bolzen können über Werkzeugteile hergestellt werden, während das Spiel verlangsamt wird. Dies geht jedoch so schnell, dass man selbst im Kampf neue Bolzen herstellen kann. Die Werkzeugteile erhaltet ihr entweder durch ein wachsames Auge in der Umgebung verteilt oder durch Entschärfen von Fallen wie Stolperdrähten und Bomben. Bei der Bombenentschärfung ist eure Reaktionsfähigkeit gefragt, wer hier etwas zu früh oder zu spät drückt, muss damit rechnen, vom letzten Checkpoint starten zu müssen oder zumindest ein tiefes Absinken der Lebensanzeige in Kauf nehmen zu müssen. Deshalb steht man immer wieder vor der Entscheidung, entweder an Bomben vorbei zu schleichen oder das Leben für zusätzliche Waffenteile mit einer Entschärfung zu riskieren.
Anstatt lange über die beste Schleichtaktik nachzugrübeln, hilft es jedoch mitunter, das Heil in der Flucht zu suchen. Allerdings ist an manchen Stellen die Flucht nicht möglich, da der Checkpoint erst erreicht wird, wenn alle Gegner tot sind. Wer hier auf die Fluchttaktik setzt, wird schnell Probleme bekommen. Umso ärgerlicher, dass meist nicht ersichtlich ist, ob ihr nun fliehen oder kämpfen müsst. Falls ihr euch dennoch für die Flucht entscheidet, müsst ihr darauf achten, nicht zu lange zu rennen, denn dann ist die Rennkapazität aufgebraucht und der Charakter bleibt erstmal eine quälend lange Zeit an Ort und Stelle stehen, bevor er sich weiter bewegen kann. So schlecht Sebastian Castellanos‘ Kondition jedoch zu Anfang ist, desto mehr kann sie verbessert werden. Im ganzen Spiel sind grüne Gehirnflüssigkeiten verteilt, die ihr durch Suchen oder Besiegen stärkerer Gegner finden könnt. Durch die bereits erwähnten Spiegelzimmer könnt ihr euch dann an manchen Stellen des Spiels in die Nervenheilanstalt beamen, um die aufgesammelten Gehirnflüssigkeiten zum Upgraden eurer Fähigkeiten zu nutzen. So könnt ihr einerseits generelle Fähigkeiten wie die Ausdauer oder die Regenerationswirkung durch Spritzen upgraden, andererseits auch Feuerrate oder Magazinkapazität einzelner Waffen verbessern. Unter dem Punkt Reserve könnt ihr eure Gehirnflüssigkeit dazu einsetzen, mehr Munition, Granaten oder Streichhölzer tragen zu können. Wichtig ist, dass ihr nicht genug Gehirnflüssigkeit finden werdet, um alle Upgradezweige aufzukaufen. Ihr müsst euch also entscheiden, welche Upgrades euch den meisten Nutzen bringen. In der Nervenheilanstalt könnt ihr ebenfalls gefundene Schlüssel einsetzen, um Bankschließfächer zu öffnen, die nützliche Dinge wie Munition, Streichhölzer oder die erwähnte Gehirnflüssigkeit enthalten, welche ihr, wie auch die Schlüssel selbst, ebenfalls im Spiel verteilt finden könnt. Die versteckten Items laden zum Erkunden der Umgebung ein und nicht selten staunt man über die detailreiche Ausgestaltung der Umgebung, die dem ansonsten so finsteren Spiel eine tolle Atmosphäre verleiht.
Wer an einer Stelle nicht weiter weiß und schon hundert Tode erleben durfte, sollte dennoch nicht aufgeben und auf die einfache Schwierigkeitsstufe wechseln. Dann nämlich startet das Spiel nicht etwa vom letzten Checkpoint, sondern vom letzten Savepoint. Gerade im ersten Kapitel, in dem das Spiel noch nicht zwischendurch gespeichert werden kann, gehen so schnell fünfzig hart erspielte Minuten verloren. Später sind die Check- und Savepoints jedoch meist fair gesetzt. Gibt es erst viele Upgrades zum Einsammeln und dann auch noch einen Checkpoint, kommt man schon dem nächsten Boss entgegen, den es zu besiegen gilt. Manche Abschnitte nach Checkpoints beinhalten allerdings auch Rätsel, die meistens leicht lösbar sind. Nicht immer allerdings, denn manche Rätsel sind nicht durch Skill, sondern durch pures Glück oder nach dem Trial & Error Prinzip zu lösen. Hier ohne Selbstverschulden zu sterben ist ärgerlich, genauso wie wenn mit Ruvik ein teleportierender unbesiegbarer Gegner vor einem auftaucht und einen mit einer Berührung tötet. An diesen Stellen kommt es einem fast so vor, als wollten die Entwickler die Spieler trollen. Etwas undurchschaubar ist auch ein haariger Gegner, den ihr mehrmals töten müsst, ohne jedoch ersichtlichen Fortschritt zu erzielen. Wer hier nach dem vierten Mal aufgibt und glaubt, der Gegner sei nicht zu töten, wird schnell eines besseren belehrt und an den letzten Checkpoint zurückversetzt. Szenen wie diese beeinträchtigen den Spielspaß, welcher Frustration zu weichen droht.
Das Spieltempo variiert, mal ist anschleichen, mal verstecken die richtige Wahl, mal liegt das Heil in der Flucht oder hektische Sequenzen müssen unter Zeitdruck gelöst werden. Sebastian Castellanos Begleiter-KIs sind gut ausbalanciert, finden den Weg und stehen nicht im Schussfeld. Die Gegner-KI stellt sich jedoch immer wieder dümmlich an. Will man einen Gegner, der einen schon lange verfolgt, in eine Falle locken, kann es passieren, dass dieser einen einfach links liegen lässt und beschließt, stattdessen gegen eine Wand zu rennen. Ein weiteres Beispiel für die mangelhafte KI der Gegner sind Flaschen, die eigentlich zum Ablenken der Gegner geworfen werden können, von diesen jedoch oft einfach ignoriert werden. Berechenbar ist die KI jedoch keinesfalls. Wenn man damit rechnet, hinter der nächsten Ecke einem Gegner gegenüberzutreten, findet man dort meistens – nichts. Stattdessen tauchen Gegner auf, wenn man sie am wenigsten erwartet und führen zu der Horror-Atmosphäre, die The Evil Within so besonders macht.
Grafik und Sound
Am PC sind die Möglichkeiten zur grafischen Einstellung sehr begrenzt. Das hat nicht nur den Nachteil, dass The Evil Within auf etwas älteren PCs nicht läuft, sondern auch den Effekt, dass ihr das Spiel nur auf den wenigsten Monitoren bildschirmfüllend spielen könnt. Stattdessen seht ihr etwa bei 16:10 Monitoren oben und unten zwei große schwarze Balken, das Bild wird nur im cinematischen 21:9-Modus dargestellt. Laut Bethesda dient dieses schmale Blickfeld dazu, den Horror zu verstärken. Uns störten jedoch die großen schwarzen Balken, die über ein Drittel des Bildschirms einnehmen. Ein weiteres Manko ist der Framelock auf 30 FPS, der zusammen mit der nur gering ausgelasteten CPU den Eindruck eines ungenügenden Konsolenports entstehen lässt. The Evil Within läuft jedoch weitgehend flüssig und wer sich mit dem Framelock abfindet, wird auch bei minimalen Systemanforderungen keine Framedrops feststellen können. Zudem gelobt Bethesda Besserung und möchte eine Deaktivierung des Framelocks schon bald in den Einstellungen des Spiels verankern. Momentan ist dies nur über Konsolenbefehle zu erreichen.
Die Grafik wirkt an manchen Stellen etwas altbacken, was jedoch genauso Absicht ist wie der Filter, der dunkle Texturen mit Rauschen darstellt, wie es bei hohen ISO-Zahlen an Kameras vorkommt. Die Licht- und Partikeleffekte sind sehr gut eingesetzt und vermitteln das Gefühl des blanken Horrors. Die Soundkulisse ist sehr gut gelungen und führt zum Gefühl der ständigen Bedrohung. Zudem dient der Sound zur Orientierung: Ist man etwa in der Nähe eines teleportierenden Spiegels, wird immer dieselbe Melodie abgespielt, die in krassem Gegensatz zur blutverschmierten Tür steht.
Mit The Evil Within kehrt das Genre Horror zu seinen Wurzeln zurück; Statt massenhaftem Abschlachten dreht sich der Survival-Horror rund um Taktik, Ausdauer und schonenden Umgang mit den knappen Ressourcen. Tango Gameworks liefert einen fesselnden Shooter mit jeder Menge unterschiedlicher Herausforderungen. Die Story rund um den Polizisten Sebastian Castellanos wird durch die atemberaubende Atmosphäre und das omnipräsente Gefühl der Bedrohung toll vermittelt, die stumpfen Dialoge fallen jedoch negativ auf. Mankos wie die dümmliche KI, Try & Error Rätsel und das fehlende Schießen im Schleichmodus machen das Gameplay an manchen Stellen zur Herausforderung. Wer auch an frustrierenden Stellen Durchhaltevermögen beweist, wird mit einem lohnenden Horror-Erlebnis belohnt.