Direkt mal vorab: Das hier wird kein Vergleich dieser beiden Titel, die unterschiedlicher kaum sein könnten und ganz andere Genres bedienen. In diesem Artikel beschäftigen wir uns vielmehr mit den Frage, was Bethesda für Fallout 4 vom neuen Tomb Raider hätte lernen können.
Fallout 4 ist ein Titel, der mich Stunden und Tage vor den Bildschirm fesselt und doch denken lässt: Warum? Warum ist alles wie zuvor, warum fehlen Aspekte, die ein Spiel zum Leben erwecken? In den folgenden Zeilen möchte ich einmal einen Blick auf das werfen, was Fallout 4 hätte besser machen können und ziehe für einiges das neue Tomb Raider zum Vergleich dazu.
Grafik und Animationen
Ja, das neue Fallout hat unglaubliche Landschaften zu bieten. Nein, die Grafik sieht nicht schön aus. Im Gegenteil. Die Engine ist mehr als angestaubt, die Animationen, die Assets, die Materialien, die Mechaniken, die Texturen – all das sieht altbacken aus. Emotionen bringen die Charaktere absolut null rüber, weil sie starr und statisch sind wie meine Ex, wenn ich das falsche… doch lassen wir das. Das Entsetzen nämlich, das meine Ex in diesem Fall zum Ausdruck gebracht hätte, kann kein Charakter in Fallout 4 rüberbringen. Dagegen zeigt Lara Croft im neuen Tomb Raider mal wieder, wie mitreißend ein Videospiel sein kann. Lara humpelt, Lara taumelt, Lara stapft durch den Schnee – es sieht so unglaublich gut aus (was nicht nur an ihrem knackigen Hintern liegt, aber zugegeben, der trägt auch seinen Teil dazu bei). In Dialogen merken wir einfach, dass die Charaktere in Tomb Raider fühlende Wesen sind – in Fallout 4 können die Sprecher noch so schreien und weinen, wenn mir eine leblose Fassade entgegenstarrt, dann fühle ich nichts.
Bleiben wir weiter bei den Animationen. Fallout 4 macht da schon einiges besser als die Vorgänger, aber noch lange nicht genug. Für mich sind Animationen sogar wichtiger als die restliche Grafik, wie ich schon einmal in einem meiner vergangenen Artikel beleuchtet habe. Wie authentisch wirkt ein Spiel? Je mehr Animationen es bietet, desto authentischer. Warum kann ich in Fallout 4 nicht klettern, nicht kriechen? Warum öffnen sich Türen von Geisterhand und Hebel und Buttons betätigen sich durch Telepathie? Warum humpelt mein Charakter nicht, wenn er sich ein Bein bricht oder hält sich den Arm, wenn er sich eine Kugel fängt? Das Spektrum ist riesig – Bethesda scheitert wieder einmal grandios. Wenn wir dann zu den Gesichtsanimationen kommen, wird das ganze ein noch größeres Desaster. Die existieren nämlich praktisch gar nicht. Der Mund bewegt sich, ja, aber das meistens falsch.
Auch was die allgemeine Grafik anbelangt, hätte man sich gerne an anderen Engines ein Beispiel nehmen können. Die Tiefe, die beispielsweise die Engine des neuen Tomb Raiders ausstrahlt, ist sagenhaft (und das spielt läuft auf einer Xbox One!). Aber auch die Anvil Next-Engine, die CryEngine 3, die Snowdrop Engine oder die Unreal Engine 4 lachen über die Creation Engine wie Chrome, Firefox und Co über den Internet Explorer.
Story und Quests
Die Story im neuen Fallout 4 ist der absolute Wahnsinn, die Entwickler von Bethesda habens einfach drauf, was Storytelling betrifft. Ihr glaubt mir nicht? Zurecht. Die Geschichten, die Fallout 4 schreibt, sind größtenteils langweilig, vor allem die Hauptstory und dazu auch noch schlecht rübergebracht. The Rise of the Tomb Raider mag jetzt auch nicht die innovativste aller Stories haben, aber das Storytelling ist dem von Fallout 4 doch um einiges voraus. Dazu kommt die Art der Aufgaben: Fallout 4 ist schon fast dreist dabei, uns die immer gleichen Quests aufzubrummen, mit kaum etwas Background drumherum. Dabei wären die Möglichkeiten doch schier endlos!
Stattdessen werdet ihr für gewöhnlich von A nach B zitiert, müsst dort jemanden oder etwas töten oder finden, um dann zu A zurück zu kehren und eure Belohnung einzusacken. Viel mehr gibts in Fallout 4 nicht zu tun – und das ist schade. Die Welt ist so abwechslungsreich wie nie zuvor, warum können nicht auch die Quests so sein? Es geht sogar soweit, dass ich lieber neue Orte entdecke, als irgend eine Aufgabe zu erledigen, weil… ja wie schon gesagt, es ist immer das gleiche.
Abseits von dem, was Tomb Raider besser macht, gibt es bei den Quests aber noch eine Sache, die mir bei jedem und aberjedem und gerade auch bei Fallout 4 wieder auffällt: Die Zeit innerhalb einer Quest bleibt so lange stehen, bis ihr die Quest fortführt. Was meine ich damit? Ich habe beispielsweise für eine der Fraktionen im Spiel eine Quest angefangen. Mein Gegenüber teilte mir mit, dass er in einem Gebäude auf mich warten würde, ich solle mich sputen. Statt ihm aber zu folgen habe ich mich dazu entschlossen, erst einmal dutzende andere Aufgaben zu erledigen und ein bisschen in der Welt rumzuwandern. 60 Spieltage später kehre ich zu der Gruppe zurück, und einer der Begleiter sagt sinngemäß, als wäre ich nur fünf Minuten weg gewesen „Beeil dich, der Chef wartet nicht gern“ Whuuuuuuuuut?
Das Zeitsystem in Open World Spielen braucht ein Facelifting. Sinnvoll wäre doch: Wenn ich jemanden treffe oder sonst wie eine Quest beginne und ich erledige die Quest sofort, bleibt alles wie es sein soll. Entscheide ich mich aber, die Quest erstmal liegen zu lassen, steht die Zeit in der Quest nicht still, sondern läuft weiter. Im obigen Beispiel sähe das dann vielleich so aus, das der betreffende NPC keine Zeit oder Lust mehr hat, auf mich zu warten, und geht. Ich muss ihn also woanders finden (eventuell kann ich Leute dazu befragen). Ist die Aufgabe dringend gewesen, hat sie vielleicht ein anderer schon erledigt und mir gehen eventuelle Belohnungen flöten. Wenn es heißt, einen Bösewicht auszuschalten, könnte dieser in der Zwischenzeit mehr Macht und Stärke erlangt haben, also schwerer zu erledigen sein. Ich denke, das Prinzip ist klar: Die Zeit sollte in den Quests ebenso weiterlaufen wie die Spielzeit allgemein. Quests sollten sich mit der Zeit verändern, und auch ihr Einfluss auf die Welt sollte damit variieren. Dadurch entstünde eine völlig neue Dynamik, die wir eigentlich nur aus Spielen mit Levelformat kennen. Und doch gäbe es genug Freiheit, vielleicht sogar neue Herausforderungen? Ich wünschte, Bethesda würde meine Worte lesen, denn so ein Fallout 5 würde ich lieben.
Begleiter und NPCs
Kehren wir noch einmal zurück zu dem, was Fallout von Tomb Raider hätte übernehmen sollen. Die Begleiter in Fallout 4 sind nicht nur stroh dumm und nervig, sie sind auch noch komplett entbehrlich. Sie können nicht sterben, dafür hat Bethesda gesorgt, aber um ehrlich zu sein, fehlt mir jedede Bindung zu ihnen, weshalb sie meinetwegen direkt im ersten Kampf verrecken könnten. Das machen nicht nur Spiele wie Dragon Age besser, sondern eben auch Rise of the Tomb Raider. Schon in der ersten Mission ist man mit einem Begleiter unterwegs, der so menschlich und Lara so verbunden wirkt, dass ich fast sofort davon überzeugt war, der arme muss gleich draufgehen und in jedem Augenblick mitgezittert und gehofft habe, dass dem guten nichts passiert. So bindet man Charaktere in ein Spiel ein!
Ich bin mir bewusst, dass Rise of the Tomb Raider ein komplett anderes Genre ist als Fallout 4. Doch Animationen, Grafik, Story, Technik und Quests – das sind Aspekte, die man universell betrachten kann. Und wenn ich mir ein Fallout vorstelle in beispielweise der Snowdrop Engine von The Division, mit unzähligen Animationen, mit echten Gefühlen – da mach ich mir vor Aufregung fast ins Höschen. Denn Fallout 4 ist jetzt schon großartig, trotz seiner zahlreichen Schwächen (die ich in diesem Artikel nur angekratzt habe). Wie genial wäre es denn dann, wenn es die oben genannten Aspekte aufgreifen würde?
Wie seht ihr das? Abgesehen vom Vergleich mit Tomb Raider, für den man natürlich viel Fantasie braucht, findet ihr auch, dass Fallout 4 in diesen Bereichen teils kläglich versagt? Schreibt uns eure Ansichten dazu in die Comments!