Am vergangenen Wochenende haben sich im polnischen Katowice die Größen des eSports versammelt – und Rainbow Six Siege Team, die auf den Intel Extreme Masters die Pro League des Spiels eröffneten.
Während Ubisoft den Beginn der ESL Pro League für den noch jungen Titel Rainbow Six Siege feiert, so fragen sich andere, was der Shooter überhaupt momentan im eSport zu suchen hat. Im professionellen eSport um genau zu sein, denn bei den hohen Preisgeldern kann man nicht mehr von einer reinen Spaßveranstaltung sprechen und entsprechend ausgereift müssen die betreffenden Spiele auch sein. In genau diese Menge stößt nun mit Rainbow Six Siege ein problembehafteter Competitive-Shooter, der regelmäßig seine Spieler an die Rande der Verzweiflung bringt und der, wenn man eben diese Spieler fragt, sicher noch nicht soweit ist, um sich im eSport-Bereich zu etablieren. Schaut man auf die erfolgreichen Spiele in dem Bereich, dann fallen eigentlich immer die gleichen drei, vier Namen. DotA 2, LoL, Starcraft II und Counterstrike: Global Offensive. Mit zugedrücktem Auge kann man vielleicht noch Call of Duty mit hinzu zählen, aber auch nur, weil Publisher Activision für genügend hohe Preisgelder sorgt, dass überhaupt relevante Teams bei den Turnieren antreten, womit auch eine gewisse Fankultur vorhanden ist, Battlefield ist im eSport ähnlich relevant wie die Option, sich WinRAR zu kaufen. Dort soll Rainbow Six Siege Erfolg haben?
Rainbow Six Siege steht noch ganz am Anfang und hat zwar eine treue Spielergemeinde aufbauen können, aber der Einfluss auf den eSport ist noch lächerlich gering. Das ist auch gut so, denn das Spiel ist problembehaftet, was angesichts des erst kürzlichen Launches (im Vergleich mit den etablierten Titeln des eSports) nicht weiter verwunderlich ist. Egal wie viele Fehler man nach Betas und Playtests fixen kann, vieles ergibt sich auch erst, wenn das Spiel am Markt ist und von der breiten Masse gezockt wird. Allerdings sind auch schon in den Betas Probleme aufgefallen, bei denen Ubisoft nach wie vor kein Interesse hat, diese zu fixen. An erster Stelle würden da die Verbindungsprobleme stehen. Es hat sich zugegeben mittlerweile viel gebessert, aber nach wie vor gibt es kein Match, in dem nicht mindestens zwei Spieler mit Pings jenseits der 100 glänzen, was ihnen keinen Nachteil, sondern, aufgrund der fehlenden Kompensation im Spiel, eher ein Vorteil einbringt. Dieses Problem betrifft tatsächlich als einziges den eSport von Rainbow Six Siege nicht direkt, da die Spiele natürlich in Custom Matches ausgefochten werden, dort ist das Pingproblem nicht ganz so groß. Die mit der fehlenden Highping-Kompensierung verbundene fehlerhafte Hit-Registration ist aber auch dort vorhanden und diese ist einer der zentralen Punkte, der uns fragen lässt, was genau Ubisoft mit Rainbow Six Siege in der ESL Pro League will. Demonstrieren, in welch desolatem Zustand der Titel auch noch Monate nach Launch ist, wenn man sich mehr als nur oberflächlich mit dem Spiel auseinander setzt?
Wer das Spiel regelmäßig und viel spielt, dem wird auch der nächste große Kritikpunkt aufgefallen sein: Die Positionierung der Spielerkamera in Relation mit den (unsinnigen) Hitboxen. Man könnte bei einem Titel wie Rainbow Six Siege, der erklärtermaßen einen erheblichen Fokus auf Realismus legt, doch davon ausgehen, dass die Spielerkamera auch dort ist, wo man sie rein logisch erwarten würde: Auf Augenhöhe. Bei Rainbow Six Siege entschied man sich aber für eine andere Variante, die keine logische Berechtigung hat: Eure Spielerkamera ist in etwa auf Halshöhe platziert. Das mögen zwar nur wenige Zentimeter sein, aber diese Zentimeter können in einem Spiel wie Siege definitiv über Leben und Tod entscheiden. Wenn ihr langsam aus einer niedrigeren Position vorgeht, um den Gegner mit einem gezielten Headshot auszuschalten, ihr sogar wisst, wo dieser steht, kann er euch etwas früher sehen. Wäre eure Spielerkamera aber tatsächlich auch dort wo sie hin gehört, dann hättet ihr den Gegner auch gesehen und hättet noch abdrücken können. So dürft ihr in der Killcam, die zwar Positionen verrät, was in Ranked-Matches auch nicht Sinn der Übung sein kann und sollte, dann erkennen, wie ihr scheinbar völlig leichtfertig dem Gegner vor die Flinte schleicht. Also, je nach Position bringt euch dieser komplette Fehlgriff beim Game-Design entweder einen krassen Vor- oder Nachteil. Egal wie es für euch in der entsprechenden Situation dann tatsächlich ist, eines eSport-Titels ist das definitiv nicht würdig. Nicht einmal Battlefield 4, das nun wirklich mit zahlreichen Problemen auf den Markt kam, macht solch einen krassen und unverzeihlichen Fehler.
Kommen wir auch direkt zum oben bereits kurz angerissenen Punkt, den Hitboxen in Verbindung mit der Hit-Registration. Bei kaum einem anderen Shooter hatte man sich am Anfang so sehr über idiotische Hitboxen ärgern dürfen. Mittlerweile wurde schon viel verbessert, bei Blitz sind zum Beispiel nicht mehr die Ohrschützer Körperteile (was haben sich die Entwickler bitte vorher dabei gedacht?). Trotzdem sind die Hitboxen nach wie vor nicht perfekt. Immer noch gibt Sachen über die man sich da ärgern kann, auch dort muss Ubisoft noch weiter arbeiten. Und wenn wir schon von Hitboxen sprechen, wie sieht es denn mit den Kugeln aus? Oft genug verschluckt das Spiel komplette Magazine, während der Gegenspieler nur drei, vier gezielte Schüsse braucht. Während man sich noch fragt, wie man jetzt selber gestorben ist und der Gegner mit 90% Gesundheit aus dem Feuergefecht gehen konnte, sieht man dann in der Killcam, wie der Gegner neben euch zielt, ihr Kopftreffer kassiert und euer Schuss, auf den Kopf gezielt, irgendwo hin geht, jedenfalls nicht in den Kopf. Man hat teilweise wirklich das Gefühl, dass selbst die Kugeln aus Sturmgewehren eine Streuung wie Schrotflinten haben (Super 90 ausgenommen, wer braucht bitte Scharfschützengewehre, wenn man diese Waffe haben kann?). Das „lustige“ dabei ist aber, dass quasi die gleich Situation (ähnliche Distanz, gleiche beteiligte Operator, gleiche Deckungsverhältnisse) umgekehrt genauso für euch ausgehen kann. Logisch erklären kann das wohl niemand, nur zeigt das einmal mehr, dass der Shooter zwar „gut, aber nicht schön“ ist. Und als wäre das nicht schon genug, setzt ihr Schüsse ab, sterbt aber kurz darauf noch, kommen diese gerne auch mal gar nicht beim Gegner an – lustig, oder?
Betrachtet man Rainbow Six Siege mit all diesen Problemen, dann fragt man sich zu Recht, was der Shooter, der wirklich viel Potential hat, im eSport zu suchen hat. Ein derart früher Launch in der ESL Pro League wird dem Spiel sicher nicht unbedingt gut tun. Klar, es steht jedem frei, den Turnieren fern zu bleiben, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass Rainbow Six Siege vieles ist, aber noch lange nicht bereit für den eSport ist. Wer sich wirklich mit der Thematik auseinandersetzt, wer wirklich ehrliches Interesse am eSport hat, der wird merken, dass der Launch von Siege in der ESL Pro League voreilig war. Wir freuen uns über jeden Shooter, der erfolgreich im eSport mit dabei ist, denn außer Counterstrike gibt es nicht wirklich Relevantes in dem Bereich, aber noch lieber haben wir Shooter, die erfolgreich und funktionierend im eSport dabei sind. Und das ist Siege leider noch nicht. Schade, aber wenn noch ein paar Monate ins Land gehen, ist man vielleicht auch bei Ubisoft weiter. Die regelmäßigen Patches lassen zumindest hoffen.