Mit Assassins Creed Syndicate geht Ubisoft in eine neue Ära der Attentäter. Dieses Mal ist das London um 1868 an der Reihe und wir verraten euch alles Wichtige.
Die Geschichte
Seit dem 19. November ist Assassins Creed Syndicate am Start und und zieht im Zeitalter der Industriellen Revolution seine Kreise. In dieser Zeit entstand die maschinelle Massenproduktion, die Welt stand vor einem Umbruch und die Gier nach Geld war damals der Motor für alle, während der Einfluss der herrschenden Königin Victoria immer mehr an Macht verlor. Der Wirtschaftsboom war in vollem Gange, den allerdings nicht alle geniessen konnten. Die Reichen besaßen die Unternehmen und die Arbeiter waren moderne Sklaven, die unter teils unmenschlichen Bedingungen arbeiten mussten und nicht selten dabei ums Leben kamen. So entstanden die verbrecherischen Banden, die immer mehr an Einfluss gewannen und sich schließlich die Assassinen an ihre Seite stellten, um der Elite den Kampf anzusagen.
Hier kommen die beiden Protagonisten Jacob und Evie Frye ins Spiel. Zwillingsgeschwister, beide mit unglaublichen Fähigkeiten und Waffen ausgestattet. Jacob ist eher der Haudegen, der neben den versteckten Klingen auch seine Fäuste einsetzt. Mit Kukri-Messer, Schlagdolch und Seilwerfer tritt Jacob gegen die Plutokraten und verfeindeten Banden an, um seinem Volk die Freiheit zu geben, Kinderarbeit zu beenden und der Gerechtigkeit in den Straßen von London zum Sieg zu verhelfen. Evie ist eher die ruhige Schleichspezialistin, die blitzschnell und lautlos zuschlägt. Sie will die Templerartefakte wie das Grabtuch und den Edensplitter finden und den Einfluss der Templer zerstören, während Jacob mit seiner Bande, den Rooks, die Herrschaft der Straße erobern und so ans Ziel kommen will. Beide wollen London zu einem besseren Ort machen und kämpfen dabei gegen dunkle Mächte, die mittels Gewalt, Korruption und unbarmherziger Macht die englische Hauptstadt im Griff haben. Noch…
Ein neues Assassins Creed?
nicht neu?
Wird bei Assassin Creed Syndicate das Rad neu erfunden oder haben wir das alles schon einmal gesehen? Eine gute Frage. Die AC-Reihe ist bekannt durch ihre Schleichmechanik, das Stealth-Gameplay, welche natürlich auch die etwas brachialere Spielvariante, also den offenen Angriff, zulässt. Auch das ist im neuen Teil unübersehbar.
Man wird sanft in die Geschichte eingeführt und die erste Mission beinhaltet, das Jacob einen Typen neutralisieren muss. Man hangelt sich durch eine Fabrikhalle, deren Maschinen sabotiert werden müssen, um den Vorarbeiter hereinzulocken, der die Türe offen lässt, durch die wir zu den Gebäuden gelangen, in denen sich die gesuchte Person aufhält. Einmal dort angekommen, entledigen wir uns der feindlichen Bandenmitglieder und widmen uns mit dem Messer dem „Opfer“, das uns während seines Ablebens noch steckt, dass wir vor einer schier unlösbaren Aufgabe stehen und wir mächtige Gegner haben. Als hätten wir das nicht im Vorfeld schon gewusst, machen wir uns auf den Weg und flüchten vom Tatort. Nach einer ereignisreichen Zugfahrt endet das Abenteuer in einem Crash, den wir natürlich überleben und die Szenerie wechselt zu Evie, die den nächsten Auftritt hat.
Und so ziehen sich die Aufträge nach und nach durch das gesamte Spiel. Man klettert, hangelt, zieht sich mittels Seilwerfer auf hoch gelegene Ebenen, sticht, schießt und wirft sich durch die Gegnerreihen, kann mittels Mehrfach-Combos den Gegner, wenn er uns erspäht hat, nach allen Regeln der Kunst verdreschen und anschließend aus dem Blickfeld tragen, damit der Leichnam nicht entdeckt wird und/oder durchsuchen, um Waffen oder Geld abzugreifen. Nach und nach kann man weitere Fähigkeiten im Bereich Kampf, Schleichen oder Ökosystem freischalten. Da geht es beispielsweise um die Erweiterung der Lifepoints, Doppelattentat, um zwei Gegner gleichzeitig zu neutralisieren oder die Fähigkeit des Kutschfahrens. Um den ganzen Skilltree freizuschalten, hat man allerdings auch eine Weile zu tun und viele Aufträge zu erfüllen, bis das Ende erreicht und das Volk von London befreit ist.
Wir haben Assassins Creed Syndicate prinzipiell schon einmal gesehen. Wie im Vorgänger „Unity“ spielen sich die Aufträge beider Protagonisten in etwa gleich nach Schema „F“ ab. Anreisen, mittels Adlerauge die Feinde und Laufwege ausspähen, das Auftragsziel erledigen (meist im wahrsten Sinne des Wortes…) und flüchten. Derweil sollte man sich genau umhören, mit Komplizen und Informanten sprechen, die einem Wege an den Wachen vorbei und Geheimgänge zeigen und stets genau planen, wie man dem Ziel am besten beikommt. Je eleganter man dieses Ziel erreicht, desto schöner wird das Attentat. Alles in allem ist Syndicate kein neues Assassins Creed, sondern nur eine Fortsetzung in einem neuem Kleid, was nicht zwangsläufig schlecht ist, aber mehr Neuerungen würden der Reihe auch gut tun.
Technik, die begeistert?
Hier haben wir ein zweischneidiges Schwert. Grafisch und soundtechnisch kann Assassins Creed Syndicate durchaus gefallen. Das Ambiente des London im Zeitalter der Industriellen Revolution ist wunderschön eingefangen worden und die Soundkulisse könnte durchaus genau so gewesen sein. Die Straßen sind voll von Leben, die Leute gehen ihrem Tagwerk nach und das ganze Drumherum wirkt schlicht und einfach überzeugend. Bei einer entsprechenden Rechenpower hat man von den Aussichtspunkten eine tolle Sicht über die Stadt, die abgelegenen Orte sehen sehr detailverliebt aus. Man kann es eigentlich kaum erwarten, die Stadtteile nach und nach zu erobern, um seine Fähigkeiten zu erweitern und dem Gegner gepflegt in den Hintern zu treten.
Leider müssen wir aber an diesem Punkt ein „Aber“ einflechten. Aus irgendeinem Grunde vergisst Ubisoft schon seit Jahren, der Assassins Creed-Reihe eine vernünftige KI und eine kompromisslose Steuerung zu implementieren. Während der Titel optisch und akkustisch absolut überzeugt, ist die KI teils doof wie ein Meter Feldweg. Neben der Tatsache, dass man nach einer Entdeckung recht schnell flüchten kann, gibt es Ungereimtheiten bezüglich der Logik. Man neutralisiert einen Gegner, lässt ihn liegen und die Kameraden interessieren sich überhaupt nicht für den Leichnam. Warum also gibt es dann die Funktion „Tragen“? Dann findet man anfangs bei jedem (!) Charakter immer drei Pfund und in den Kisten 121 Pfund und 3-5 Messer. Ist das Tragen von mehr Geld etwa verboten oder limitiert? Man weiß es nicht.
Kleine Fehler…
Auch das Verhalten der Gegner im Kampf ist unlogisch. Während man sich in einem Zweikampf befindet, schauen die anderen meist nur interessiert zu und greifen viel zu selten an.
Wenn man gegen eine Gruppe antritt, kriegt man im Normalfall auch von allen gleichzeitig die Jacke vollgehauen, nicht aber bei Assassins Creed. Da sind andere Schleichkracher wie „Metal Gear Solid 5 – Phantom Pain“ in fast allen Bereichen deutlich besser aufgestellt. Nervig sind auch die Aussetzer bei der Steuerung. Mal fängt Jacob an zu klettern, obwohl er springen soll oder umgekehrt. Man bleibt aus unerfindlichen Gründen an Kleinigkeiten hängen und so scheitert man an einer Verfolgungsjagd. Genauso mähen Pferde mal eben eine metallene Straßenlaterne weg, als wäre diese nicht vorhanden. Realitätsnähe sieht da ein wenig anders aus. Ab und zu mag das mal ganz witzig sein, aber auf Dauer ist das wirklich kein Spaß. Man merkt, dass Ubisoft den Titel auch für Casual Player zugänglich machen will, denn die feinsten Kombos gehen wie von Zauberhand vonstatten (simples Mausgeklicke), während man bei anderen Titeln lange für solche Fähigkeiten trainieren muss. Das ist eigentlich schade, denn das würde dem Spiel eine Menge mehr Tiefe verleihen. Eine tolle Zugabe ist allerdings der Seilwerfer, der zwar nicht als Waffe, aber als Gimmick sehr hilfreich ist. Leider ist auch das Teil recht umständlich zu handhaben und durchaus noch verbesserungswürdig, aber dennoch ein probates Mittel, auf die ständigen Kraxeleien verzichten zu können.
Während die Steuerung den Spieler ab und zu einmal zur Verzweifelung bringen kann, kann Assassins Creed grafiktechnisch überzeugen. Jeder kennt beispielsweise den Effekt, wenn man aus dem Dunklen in gleißendes Sonnenlicht tritt. Man kann kaum etwas erkennen und die klare Sicht kommt erst nach und nach zum Tragen. So auch in Syndicate. Während man aus dem dunklen Bereich nach vorne schreitet, kann man keine Einzelheiten erkennen…
… aber fünf Meter weiter sieht das Ganze schon etwas anders aus…
Hungrige Engine…
Gerade diese „Kleinigkeiten“ machen wiederum Spaß und lassen die spielerischen Mängel etwas in den Hintergrund rücken, wobei Ubisoft mit kleinen Patches den Fehlern eigentlich den Garaus machen könnte.
Man merkt allerdings, dass auch die überarbeitete Anvil Engine einen recht happigen Hardwarehunger besitzt. Je höher die Auflösung und die Details, desto heftiger werden die Ansprüche und desto geringer die Frames.
Unser Testsystem ist eine Nvidia Battlebox mit zwei Nvidia GTX 980Ti, einem Intel i7 5930 und 32Gbyte Speicher. Wir haben Assassins Creed Syndicate in verschiedenen Auflösungen getestet und folgende Fakten herausgefunden.
Auflösung: Full HD, minimale Details
- – 3894 Mbyte genutzter Grafikspeicher
- – 348 FPS im Ladescreen
- – ca. 170 FPS im Spiel
Auflöung: 4K, maximale Details inkl. 4x TXAA+FXAA und HBAO+ ultra
- – 10038 MByte genutzter Grafikspeicher
- – 142 FPS im Ladescreen
- – ca. 42 FPS im Spiel
Deutlich erkennbar sind die Unterschiede bei den Schatten und den Details bei der Holzrampe und der Mauer. Die Texturen wirken ungleich schärfer und bieten entsprechende Tiefe, was einen realistischen Eindruck hinterlässt. Niedrig aufgelöst macht Assassins Creed Syndicate schon einen recht guten Eindruck, aber mit vielen Details ist es noch einen Tacken mehr wert. Auch die Protagonisten runden das Bild ab. Die Animationen sind recht flüssig und die Dialoge sind lippensynchron. Auch die Emotionen werden recht gut transportiert, was ein Fallout 4 leider nicht schafft.
Fazit des Tests
Wir haben ergo ein technisch durchaus vertretbares Spiel, wobei das Gameplay allerdings etwas auf der Strecke bleibt. Die Logikfehler in der Steuerung und der KI trüben das Gesamtbild merklich, die technische Aufmachung und das Ambiente hingegen sind gut gelungen, die Stimmung wird gut rübergebracht und alles in allem ist Assassins Creed Syndicate ein würdiger Nachfolger, der im Gegensatz zu Unity einen recht fehlerfreien Start hingelegt hat. Die Steuerung sollte nicht nur für Casuals angepasst, sondern auch für Freaks geeignet sein, sprich, nur demjenigen eröffnen sich die krassen Combos, der die Steuerung auch beherrscht. Toll hingegen die Möglichkeit, zahlreiche Collectables zu sammeln (Flaschen, Bilder etc.) und ebenso klasse sind die Nebenaufträge, wenn man einem Charles Dickens, einem Karl Marx oder einem Charles Darwin über den Weg läuft. Wenn man die Fehler beseitigt und die Steuerung noch einen kleinen Tacken überarbeitet, steht einem stressfreien Abenteuer im London 1868 nichts im Wege. So kommen leider noch ein paar Frustmomente auf, die den Spielspaß mindern. Fans der Serie werden sich diesen Teil sowieso zulegen, allen anderen Interessierten empfehlen wir, sich das Ding vorab etwas genauer anzusehen.
Für mich ist Assassin’s Creed Syndicate das, was Unity hätte sein sollen. Unity hat mir zwar Spaß gemacht, aber es gab doch einige Sachen, die das Spielerlebnis getrübt haben. Syndicate macht vieles besser, hat aber nach wie vor ein paar kleine Krankheiten, die man seitens Ubisoft noch ausbessern müsste. Haklige Steuerung, teilweise blinde und feststeckende KI. Nichtsdestotrotz macht das Spiel unheimlich viel Spaß und die Zeit vergeht durchaus wie im Fluge. Eine detailgetreue Nachbildung des viktorianischen Londons, etwas Witz in den Dialogen und wirklich überzeugendem Sound machen Syndicate zu einem Erlebnis, den man sich gerade als Fan der Serie nicht entgehen lassen sollte. London-Liebhaber, Sammler und Vollblut-Assassinen finden hier einen sehr guten Ableger.