Past Cure ist seit einigen Tagen veröffentlicht und wird hart kritisiert. Doch wie schlimm ist es wirklich und kann das Erstlingswerk von Entwickler Phantom 8 bei uns vielleicht besser abschneiden?
Die direkte Antwort ist: nein. Aber ganz von Anfang an.
Past Cure war ein Release, auf den ich mich sehr gefreut hatte. Ein Stealth-Shooter aus deutscher Schmiede. Ein Erstlingswerk vom Entwickler Phantom 8, welches nach Potential aussah. Ich war jetzt nicht unbedingt gehyped auf den Release, denn seit No Man’s Sky lasse ich mich nie wieder auf einen Release hypen. Aber etwas Vorfreude, das kann ich nicht leugnen, die hatte ich.
Das Spiel soll ein psychologischer Thriller sein. Entsprechend müssen wir Ian, den Hauptcharakter, durch seine Alpträume und Wahnvorstellungen steuern. Doch der wahre Alptraum ist das Spiel. Von dem ich nun Alpträume bekomme, aber nicht, weil es etwa grandioser Horror war. Vielmehr wurde gezeigt, wie man alles, aber auch einfach alles an einem Stealth-Shooter, auf gut Deutsch, verkacken kann.
Die Idee hinter Past Cure war wohl, mehrere Genres zu vermischen. Neben den charakterlich sehr hervorstechenden Shooter und Schleich-Elementen, soll es auch Horror-, Psycho- und Thriller-Elemente in Form von Story und Setting und etwas Survival geben sowie ausgeprägte Nah- wie Fernkämpfe. Was übrig bleibt ist eine in einen Mixer gegebene Mischung aus diversen Zutaten, denen aber jeder Feinschliff fehlt. Die ganz bestimmte Note, die richtige Ausarbeitung, die aus dem Mix eine künstlerische Création macht.
Komm, umarme mich – schon in der Demo präsentiert das Spiel seine größte Schwäche: Die KI und das Gameplay.
Die Stärken
Gibt es nicht…
Das sage ich nicht einfach so, um dieses Spiel oder die Arbeit der Entwickler schlechtzureden. Ich habe mir wirklich vorgenommen, ein Auge, ach was sag ich da, zwei Augen für Phanton 8 zuzudrücken. Ich habe kein Tomb Raider, Metal Gear oder Max Payne 3 erwartet. Ich habe ein solides Spiel erwartet. Doch das war einfach zu viel verlangt.
Lediglich, um auch etwas Positives zu nennen, das letzte Traumlevel und gleichzeitig auch Teil der Demo, ist so etwas wie das Highlight des Spiels. Es gibt gut eingebaute Rätsel, deren Implementierung gelungen ist, aber ruhig noch etwas schwieriger sein darf. Ebenfalls war mal relativ passabler Stealth vorhanden und eine düstere, sogar gut umgesetzte Atmosphäre mit ordentlichem Sound-Setting. Hier hätte man festhalten und alles Drumherum wegschmeißen müssen… doch schauen wir uns mal die Alptraum-Seite von Past Cure an.
Die Cutscene im Aufzug, der Kampf und die Dramatik waren neben dem Chapter „The Great Escape“ ein wirklich gut gelungener Moment. Leider war es auch der erste und einzige.
Wo ist der Thrill, die Action, der Psycho, die Spannung, die Dramatik?
Aufgrund eines seltsamen Fehlers – vielleicht aus eigenem Verschulden, vielleicht auch nicht – war ich gezwungen, zuerst die Demo zu spielen. Ich habe dem Spiel unlängst alles zugetraut und hörte bereits von einem „Pflicht-Tutorial“. Dachte ich mir also nichts Schlimmes bei. Anscheinend haben aber auch normale Kunden das Problem, die keine Presseversion erhielten. Seltsam.
Zwar fangen Demo und Hauptspiel beide mit einer Alptraumsequenz an, nur mit dem feinen Unterschied, dass die Alptraumsequenz der Demo als Einstieg für das Spiel deutlich besser war und nicht hätte später verwendet werden sollen. Stattdessen beginnt das eigentliche Spiel mit Klon-Gegnern, welche rot leuchtenden Augen haben, die aus zuvor angekündigten Türen erscheinen, während wir im Raum gefangen sind. Dazu gibt es offenbar Sounds von Freesounds.org mitgeliefert (aber dazu gleich mehr).
Das ist nicht gruslig, aber öde. Und noch schlimmer, wenn man den einigermaßen gelungenen Demo-Einstieg in Erinnerung hat, der weniger wie ein Tutorial, dafür mehr wie ein mysteriöser Beginn eines spannenden Thrillers daherkommt.
Das Problem, welches das Spiel hat, ist der fade Einstieg samt Strandhaus-Tutorial Level und erneutem Alptraum. Schaut man auf Steam, merkt man, dass viele ungefähr kurz nach dem „Design Haus Level“ das Spiel ausmachten und sich den Betrag haben zurückerstatten lassen, die negative Review nicht zu vergessen. Dazu kommen Monologe, wo man teilweise nicht mehr aus dem Kopfschütteln herauskommt, grausige Grafik, die ihresgleichen sucht und im abschließenden Alptraum ein „Lerne deine super tollen Effekte kennen“-Tutorial, welches, bis auf zwei relativ gute Momente, offenbar, wie das ganze Spiel funktioniert.
Verwaschene und nachladende Texturen, Reflexionen aus der Steinzeit, ruckeliges Gameplay, grauenhafte Performance, schlechte Sprecher – einmal dachte ich wirklich, einer der Wachen wurde von jemanden eingesprochen, der in einen Toaster redete mit 2,55 mm mono Klinkenstecker – und auch sonst hätte man einen etwas emotionalen Sprecher für Ians Bruder gebraucht und ein paar Takes mehr wäre gut gewesen, damit bestimmte Momente fesselnder rüberkommen. Die Frau namens Sophia macht da noch die beste Arbeit.
Dazu kommt die grauenhafte Vertonung. Feuert man einen Schuss ab, könnte ich genauso mit einem Lineal auf den Tisch hauen – man würde den Unterschied nicht erkennen. Die erwähnte Toaster-Ausgabe von manchen „Wachen“ und die grauenhafte Zeitlupen-Kulisse. Hat man hier die Soundfiles in Sony Vegas gepackt und langgestreckt? Jungs, ihr müsst das pitchen!!! Besonders zum Beginn sind mir die uns allen bekannten „Wuuusch“-Effekte aufgefallen, als die Kamera auf einen… (wie nennen wir die nackten Männer mit roten Augen eigentlich jetzt? Ich hab’s: Rotaugige Gegner…) rotaugigen Gegner fiel. Aber auch das Sprinten erzeugt ein sehr seltsames Geräusch, wenn Ian seine Arme bewegt. Wusch wusch wusch wusch… Sind wir in einem Zeichentrickfilm?
Und damit das noch nicht genug ist, gibt es Fehler und abrupte Stille von Musik oder dem gesamten Ambiente. Dazu läuft der immer gleiche Track im Hintergrund, der mich irgendwann dazu bewegte, wenn nicht gerade ein Cinematic lief, auf meinen Media-Start Hotkey auf der Tastatur zu drücken, um Spotify zu starten.
Doch das wäre noch das kleinste Problem. Die KI ist ein Graus (siehe obiges Foto), das Gameplay eine Tortur und die grauenhafte Belegung von Keys macht einen Kirre. Wie man etliche Effekte auf einer Tastatur unterbringt, hat The Witcher 3 glamourös vorgemacht. Und nutzt bitte NIE wieder die Backspace-Taste, um aus dem Menü rauszukommen. (Anmerkung: Dies wurde mit einem Patch vom 02.03.18 geändert).
So verdrückt man sich aus Versehen und prompt kommt ein Kamikaze Gegner auf dich zu gerannt (wenn man ihn nicht schon vorher erledigt hatte) und verprügelt dich. Dabei sind Schläge deutlich tödlicher als Schüsse. Bis Ian aus seiner Hocke wieder hochkommt, wenn man die Rumfliegen-Fähigkeit aktivierte, man es aber nicht wollte, dauert es eine halbe Ewigkeit. Manchmal, selbst wenn Ian schon steht, schlägt er trotzdem keinen Konter mit Q. Und dann ist man tot.
Manchmal will man nur über Past Cure meckern. Doch auch in dieser Cutscene steckt von der Grafik her viel Potential. Viel zu selten umgesetzt!
Und sofern dich das Spiel nicht zum Schleichen zwingt, vermeidet man dies besser. Es macht sowieso keinen Sinn. Mit der Waffe kommt man, nachdem man sich an das seltsame Handling gewöhnt hat, deutlich schneller durch die Aneinanderreihung von Levelabschnitten. Denn das Leveldesign war weniger gekonnt durch in sich immer wiederholender Sets. Man läuft durch Gänge, biegt links und rechts ab, läuft einen weiteren Gang lang, biegt links oder rechts ab und das dann noch 10x. Könnte Ian doch wenigstens wie ein Ex-Soldat länger sprinten.
Past Cure ist eine Mischung aus interessanter Grafik, die vor allem in dunklen Abschnitten ihre Stärke präsentiert und aus „aber hier kann, hätte und muss man mehr herausholen“ zusammengesetzt ist. Denn nutzt man die Unreal Engine nicht richtig aus, dann verfehlt sie ihren Zweck. Die erwähnten, oft verwaschenen Texturen, die teilweise auch nachladen, grausige Reflexionen, wenn man einen Spiegel auffindet, Gesichtsanimationen, welche mich immer noch im Schlaf verfolgen, genauso wie die Animationen von den Figuren an sich gleichen einem allgemeinen Wischiwaschi-Look und teilweise lässt auch die Kantenglättung zu wünschen übrig. Außerdem sehen Ians Haare aus wie ein schlechtes Toupet. Er sollte sich bei Trump beraten lassen.
Doch Grafik ist immer ein Punkt, welchem ich wenig Beachtung zuteil kommen lasse. Schließlich ist sie nicht alles. Aber wer einen hohen Anspruch legen will, muss auch diesen hohen Anspruch liefern. Ansonsten sollte sich Phantom 8 mit einem anderen Stil ausprobieren. Oder hätte auf anderen Ebenen dafür umso mehr punkten müssen. Zum Beispiel beim Gameplay oder der Story. Aber weder noch liefern sie Spielspaß oder tatsächliche Spannung. Selten hatte es mich so wenig interessiert, was sich hinter Ians Wahnvorstellungen und den „blauen Pillen“ verbirgt.
Ein vermeintlicher Teaser, welcher sozusagen das Intro des Spiels nach den Tutorial-Level darstellt, wurde als Art Doku-Film über die Experimente der Nazis an Menschen, vor allem die Versuche, den Verstand der Menschen umzuprogrammieren, aufgebaut. Doch fügte sich dieses, durchaus sehr stilistische Filmchen, überhaupt nicht in das Spiel ein. Es gab keinen Bezug zur Geschichte. Es gab keine Erklärung. (Nur, dass wir uns wohl denken sollen, das Ian in Syrien für experimentelle Zwecke missbraucht wurde). Dafür müsste man schon etwas mehr aus Ians Leben wissen. Oder Ian, welcher uns durchgehend mit teilweise grauenhaften Monologen auf den Senkel geht (Ja, Ian, vielen Dank, aber ich kann auch ohne deine Hilfe herausfinden, dass ich für ein abgeschlossenes Schloss einen Schlüssel brauch), vielleicht mehr über seine Vergangenheit verrät, statt über die Gegenwart zu palavern.
Zwar wird versucht, sein dauerhaftes mit-sich-selbst-Gerede mit der Tatsache zu erklären, dass es ihm helfe, „konzentriert“ zu bleiben und, so wird er es wohl meinen, klar bei Verstand. Aber Ausreden helfen nicht, grausige Monologe zu entschuldigen. Dazu kommen völlig kalte und leere Dialoge, meistens mit dem Bruder, die man gerne hätte überspringen können.
WARNUNG: Hier wird ein wenig gespoilert.
Und wer auf ein gutes Finale mit einem interessanten Plot-Twist hofft… der sollte sich warm anziehen. Wir wissen zum Schluss nichts, plötzlich kann Ian mit einer schwarzen Pille zum Super-Killer mutieren und seinen Endgegner ausschalten und die rotaugigen Gegner kann er auch plötzlich kontrollieren – mit dem kleinen Unterschied, dass deren Augen nun Schwarz sind. Wie auch Ians Augen und Adern nun Schwarz verlaufen. Dann der Cut – und ein Fortsetzungsköder…
Nichts wird aufgeklärt von der Geschichte, wir jagen ohne Gründe einem Drogenkartell hinterher, die uns mit nützlichen Pillen aus dem Darknet verfolgen. Das eigentliche Target, der Doktor Fletcher, scheint entweder pädophil oder Versuche an Kindern durchgeführt zu haben. Tod ist er trotzdem. Dann sind wir bei Sophia, die uns deus ex machina den Arsch rettet, wodurch wir anscheinend mehr als nur Dank für sie empfinden. Dann zwei kurze Bosskämpfe, die an Lächerlichkeit nicht zu überbieten sind und Sophia, die wir unbedingt retten müssen. Nachdem wir hunderte Menschen umgebracht haben. Huch Ian, wo kommt auf einmal dein Gerechtigkeitssinn her? Du hast doch auch ohne Grund und um Drogen zu stehlen Fletcher ausrauben wollen.
Es ist eine Farce. Die gesamte Story ist ohne richtigen roten Pfaden aufgebaut und lässt zu viel ungeklärt. Dabei wäre Unklarheit kein Problem, doch scheint man im Autoren-Team selber keine Ahnung gehabt zu haben, wie was wo passieren soll und warum.
Sophia kennen wir aus einem fünf Minuten Gespräch durch eine Badezimmertür. Aber sie ist uns direkt ans Herz gewachsen. Ian scheint es ja dringend nötig zu haben.
Das Stealth-Gameplay ist zum Verrücktwerden. Denn eigentlich sind viele Phasen von den gezwungenen Schleichabschnitten durchaus gelungen. Doch versteckt man sich an einer eigentlich sicheren Stelle, scheint einen manchmal doch der Gegner – obwohl er mit dem Rücken zu einem steht – zu sehen. Dann darf man sich den Weg erstmal wieder bis zu diesem Punkt durcharbeiten, denn auch die Speicherpunkte sind rar gesät. Ansonsten, neben solch unnötigen und frustrierenden Momenten, ist das Stealth-Gameplay durchaus gut gelungen.
Doch hier kommt ein neues Problem zum Tragen. Die Linearität des Spiels. Linear bedeutet nicht, dass es gleich schlecht ist. Doch dadurch ist man nicht auf der Suche nach dem besten Weg, um an den Wachen vorbeizukommen, sich tatsächlich taktisch etwas zu überlegen oder auf die Probe gestellt zu werden. Man sucht lediglich den einzigen Pfad, der zum Ziel führt. Der Rest ist Timing. Auch hier verschwendet Past Cure zu viel Potential, das es hätte nutzen können. Varietät ist immer ein Punkt, der viel zu einem guten und angenehmen Spielerlebnis beiträgt.
Die Fähigkeiten Ians, mit dem Bullet-Time Effekt die Zeit anzuhalten und der Transition, um seinen Körper zu verlassen und die Umgebung zu begutachten, sorgen auch nicht für den gewünschten Effekt der Abwechslung. Bullet-Time wie mit dem Geist den Körper braucht man nur, wenn dich das Spiel dazu zwingt. Auch hier spielt sich Past Cure nicht in die eigenen Karten und nutzt die vielzähligen Einsatzmöglichkeiten solcher übernatürlichen Kräfte. Dass man für zwei Gegner sogar die Möglichkeit einbaut, in ihre Gedanken zu kommen – das macht keinen Unterschied, da gescripted.
Der „End Fight“ gegen den Boss ist eine langweilige Absurdität und offenbart, dass man auch stark bei inFamous abgeguckt hat. Und wiederum fragt man sich, warum auf einmal jemand Strom und Beton bändigen kann? Das ergibt keinen Sinn!
Manchmal gibt das Spiel doch eine nette Atmosphäre ab. Doch direkt nach dem Screenshot sah mich die Wache in dem Versteck hier in dieser Ecke… er stand mit seinem Rücken zu mir.
Was jetzt passieren sollte – Fazit
ganzer Linie
Es ist generell keine falsche Idee, mehrere Genres zu vermischen. Doch, und hier verteidige ich einmal alle Entwickler bei Phantom 8, ist dies keine einfache Aufgabe, als junges und kleines Team, solch eine Mammutaufgabe zu bewältigen. Psycho-Thriller braucht das perfekte Setting, spannende Story und gute Dialoge. Stealth-Action-Shooter braucht ausgeklügeltes Level-Design, starkes Gameplay und gute KI. Das alles, zusammen mit dem Versuch, ein Spiel mit Triple-A Grafik zu liefern (wo sie von Warhorse Gaming mit Kingdom Come: Deliverance, als das aktuelle AAA-Indie Game in die Schranken verwiesen werden), scheitert leider auf ganzer Linie.