
Mit Wolcen – Lords of Mayhem ist ein neues Action-RPG auf dem Markt, das dem großen Vorbild Diablo Konkurrenz machen will – doch gelingt ihm das auch?
Wolcen – Lords of Mayhem fing mit einer Idee auf Kickstarter an, die viele Spieler sehr interessant fanden, und den Titel unterstützen. Vor rund fünf Jahren hieß der Titel noch „Umbra“ und war nicht mehr als Theorie. Von einer großen, offenen Spielwelt, einer um 360 Grad drehbaren Kamera und durch die Bewegung flatternde Capes wurden zu diesem Zeitpunkt gesprochen. Geblieben ist davon allerdings nichts. Angefangen beim Namen, der nach rund einem Jahr von „Umbra“ auf „Wolcen“ geändert wurde. Passend dazu heißt das Entwicklerstudio „Wolcen Studio“. Doch das, was wir bekommen haben, ist trotzdem gut. Neben einer Geschichte, die in drei linearen Akten erzählt wird, gibt es eine großzügige Kelle Endgame und garniert wird das Ganze mit einer schicken Grafik – powered by CryEngine.

Story-Modus für die Geschichte
Bevor wir uns aber in die Welt dieses Action-RPGs begeben, müssen wir uns noch einen Charakter erstellen. Dabei haben wir die Wahl zwischen einem männlichen und weiblichen Modell, das wir noch geringfügig anpassen können. Behaarung, Haut-, Haar- und Augenfarbe können gewählt werden. Zu guter Letzt muss noch die Charakterklasse ausgewählt werden, die allerdings nur die Start-Ausrüstung festlegt. Im Spiel selbst kann jeder Charakter alle Waffen tragen. Gewählt werden kann zwischen Nah- und Fernkämpfer sowie Zauberer.
Für alle Gelegenheitsspieler gibt es die Möglichkeit den Story-Modus zu aktivieren, der das Spektakel um ein Vielfaches vereinfacht. Das ist zwar durchaus schön, doch für den Test natürlich irrelevant – wir spielen auf dem einzig anderen möglichen Schwierigkeitsgrad „Normal“. Zusätzlich gibt es noch die Möglichkeit, sich einen Offline-Charakter, neben seinem Online-Charakter, zu erstellen. Mit diesem kann man dann auch jederzeit spielen, selbst wenn die Server mal zicken. Allerdings kann man diesen auch nicht in ein Online-Spiel einbringen. Offline- und Online-Modus sind also getrennt voneinander. Dennoch finden wir es gut, dass es die Möglichkeit gibt, ohne dauerhafte Internetverbindung spielen zu können. Diese Alternative bieten die großen Konkurrenten Diablo 3 und Path of Exile nicht.

Plötzlich Racheengel
Es gibt noch einen weiteren Punkt, in dem Wolcen dem Konkurrenten Path of Exile überlegen ist – die Zwischensequenzen. Die machen nämlich einiges her und präsentieren die sonst flache Story auf einem anderen Niveau. Das Tutorial wirft uns nämlich als mächtigen Krieger auf das Schlachtfeld, der sich mit ein paar schwarzen Rittern prügelt. Plötzlich tauchen diverse Dämonen auf. Im Kampf gegen den Boss verwandeln wir uns in eine Art Racheengel mit Kriegshammer und Schild, bevor wir unserer Mächte beraubt werden und ins Meer schleudern. Als wir wieder zu uns kommen, haben wir unsere Kräfte natürlich verloren und sind erst einmal verwirrt. Wir fragen uns, woher die Dämonen kommen, wieso wir uns plötzlich verwandelt haben und woher wir neue Ausrüstung bekommen.
Letztere Frage wird offensichtlich schnell beantwortet, denn wir stellen uns fix den ersten Monstern entgegen, die auch recht schnell den ersten Loot für uns haben. Looten & leveln – jetzt geht’s also los! Als Magier schwingen wir unseren Zauberstab durch die Luft und machen kurzen Prozess mit den „Svriir“. Doch schon jetzt können wir, wenn wir das wollen, andere Waffen benutzen, wenn wir sie denn von den Gegnern bekommen. Kurz nach Spielstart auf eine Zweihandwaffe wechseln? Kein Problem. Die Pistolen anlegen? Geht klar. Den Bogen spannen? Auch das ist möglich. Und auch die verschiedenen Rüstungsteile haben diverse Attribute wie Gesundheit, Schild oder Widerstände. Als Magier sind natürlich andere Attribute wichtig, als für einen Nahkampf-Spezialist. Da wir uns aber für den Magier entschieden haben, sollten wir auf leichte Kleidung setzen. Im Zusammenspiel mit anderen – ob mit Fremden oder Freunden – können wir die Gegenstände allerdings auch tauschen.

Wuchtiger Kampf
Der Standardangriff unseres Zauberers ist durchaus mächtig, so springt die Kugel, die wir schleudern, auf umliegende Feinde und macht so mehr oder minder Flächenschaden. Doch auch die Nahkämpfer können mit ihrem Standardangriff gut Schaden machen, immerhin können sie sich mit einem Dash auf den nächsten Gegner bewegen, der außerhalb der Reichweite ist. Via Leertaste können wir eine Ausweichrolle starten – müssen aber auf unsere Ausdauer achten. Dank gelungener Animationen und saftigen Treffersounds regnet es saftige (magische) Ohrschellen für unsere Gegner, sodass sich der Kampf wirklich wuchtig und brachial anfühlt. Mit der Ressource Willenskraft können wir Feuerbälle in Richtung Gegner schleudern, die uns dafür die Ressource Wut geben. Mit der können wir als Magier allerdings nichts anfangen, die ist für die Nahkämpfer.
Haben wir uns um ausreichend Feinde gekümmert, steigen wir selbstredend im Level auf und dürfen Punkte verteilen. Zunächst auf unsere Charakterwerte, wie Wildheit, Zähigkeit, Beweglichkeit und Weisheit. Diese erhöhen die kritische Trefferchance, Lebenspunkte, Schild, Angriffs- und Zaubergeschwindigkeit sowie die Chance, Statuseffekte – wie Gift – auf Gegner zu übertragen. Gerade beim ersten Spielen können diese Werte allerdings eher verwirrend, denn hilfreich sein. Immerhin klingen sie alle recht wichtig. Wir müssen uns allerdings entscheiden und gehen den Weg, bei dem wir drei Viertel der zehn vorhandenen Punkte auf Wildheit setzen und die restlichen Punkte fair zwischen Zähigkeit und Beweglichkeit verteilen. Weisheit vernachlässigen wir als Magier bewusst, denn bisher haben wir noch nicht mit Statuseffekten gearbeitet.

Aktive Skills?
Doch natürlich gibt es nicht nur Charakterwerte, die wir nach und nach erhöhen. Wir haben beim Levelaufstieg auch einen Punkt für einen Passivbonus bekommen, den wir im Talentbaum investieren können. Dieser erinnert auf den ersten Blick an Path of Exile, hier ist er allerdings um einiges kleiner und übersichtlicher. Mit den verschiedenen Ringen, in die der Baum unterteilt ist, können wir uns von der Mitte bis zum Ende skillen, ohne den Umweg durch ungewollte Talente zu nehmen. Nette Idee. Außerdem wirkt jedes dieser passiven Talente nützlich, sodass man nie das Gefühl hat, man müsse wertvolle Punkte „verschwenden“. Wer sich nun zurecht fragt, was denn mit den aktiven Fähigkeiten ist: die sind ein ganz anderes Thema.
Denn aktive Fähigkeiten lassen sich nicht mit einem Fähigkeitenbaum freischalten, oder sind an Level gebunden, wie bei Diablo 3, sondern müssen als Loot aufgehoben, um dann erst freigeschaltet zu werden. Die Fähigkeiten sind zudem an Waffen gebunden, das heißt Zauber können nur mit einem Zauberstab gewirkt werden, während Nahkampf-Skills auch nur mit Schwertern und Ähnlichem aktiviert werden können. Etwas schade, aber verkraftbar. Wer allerdings das Pech gepachtet hat, findet erst mal nur Skills, die nicht zum aktuellen Spielstil passen. Das kann man zwar einfach umgehen, indem man die Waffe wechselt, schön ist das aber nicht. Immerhin lassen sich die Fähigkeiten auch verbessern und es wird dabei auf ein ähnliches System wie bei den Fähigkeitsrunen im Blizzard-Pendant gesetzt. Die Skills leveln zudem eigenständig. So kann aus einer Fähigkeit, die anfangs noch nutzlos schien, die Todesmaschine schlechthin werden.
Im späteren Spielverlauf schaltet man zudem noch die beeindruckende Verwandlung aus dem Intro frei und kann sich auch hier zwischen verschiedenen Transformationen mit unterschiedlichen Skills entscheiden. Und wer für kurze Zeit zum unverwüstlichen Riesenmonster mutiert, der hat auch keine Probleme mit dem Getier, das sich um einen scharrt. Nachdem man sich um die Geschichte gekümmert hat, kann man sich zufallsgenerierten Karten widmen, die einen stark an die Nephalem-Portale aus Diablo 3 erinnern. Im Austausch gegen Gold können zusätzliche Modifikatoren eingesetzt werden, wie extra Elementarschaden für Gegner, explodierende Leichen oder Ähnliches. Je größer die Herausforderung ist, der man sich stellen mag, desto größer sind auch die Belohnungen. Die bestehen aus Items, Geld, Erfahrung und der Möglichkeit, die Stadt auszubauen. Ja, im Endgame kann man die Stadt ausbauen. Das bringt nützliche Sachen mit sich, wie mehr Fächer in der Lagertruhe oder einen zusätzlichen Fähigkeits-Slot.

Präsentation par excellence
Spielerisch gibt es zwar keine bahnbrechenden Innovationen, dennoch wirken die Ideen frisch und das Zusammenspiel der vorhanden Elemente funktioniert erstaunlich gut. Doch auch andere Elemente, wie die Musik, müssen sich nicht verstecken. Ein Orchester samt Chor sorgt für die richtige Stimmung, während auch die restlichen Sounds einen ordentlich Klang haben. Wie schon weiter oben erwähnt wirken die Kämpfe auch wie Kämpfe und nicht wie ein Aufeinandertreffen von Papierblättern.
Auch von der technischen Seite kann man nicht wirklich viel bemängeln. Zwar gab es kurz nach der Veröffentlichung Probleme mit den Servern, die wohl nicht für die Masse ausgelegt waren. Immerhin wollten zur Hochzeit über 60.000 Spieler gleichzeitig mit den Online-Servern verbunden werden. Doch das legte sich bereits wenige Stunden später, da sich die Entwickler fix darum kümmerten und die Kapazitäten erhöhten. Und auch im Spiel konnten wir bis zum aktuellen Zeitpunkt keine größeren Fehler feststellen. Hier und da tauchen NPCs mehrfach auf, manche Gegner lassen sich nur schwer anklicken und hier und da ist noch ein kleiner Fehler in der deutschen Übersetzung. Alles in Allem aber durchaus solide.

Fazit
Maurice „DerSkotschir“ Skotschir: „Als Wolcen – Lords of Mayhem noch unter dem Namen Umbra auf Kickstarter zu finden war und nur als Idee durch die Medien geisterte, weckte es dennoch mein Interesse. Immerhin war Diablo 3 doch schon drei Jahre alt und die Gier nach guten ARPGs ist groß. Doch bis es soweit ist und Umbra/Wolcen Realität werden würde, würde noch einige Zeit vergehen. Zwischenzeitlich habe ich den Titel auch durchaus aus dem Radar verloren, doch fand ich es immer wieder. Die Vollversion nun spielen zu können, ist großartig. Und das Spiel ist es ebenfalls. Zwar ist noch alles relativ rudimentär und mit der Zeit kommen sicherlich noch die einen oder anderen Komfortfunktionen, doch auch jetzt kann man Wolcen durchaus spielen. Durch die genutzte CryEngine sieht das Spiel fantastisch aus und harmoniert mit den Animationen der Charaktere. Die Kämpfe fühlen sich wuchtig an und Musik und Soundeffekte tun ihr Übriges. Die Zwischensequenzen lassen die sonst flache Geschichte in einem extrem guten Licht dastehen, auch wenn sie natürlich nicht an Blizzard-Qualität herankommen. Die spielerische Freiheit, die einem gewährt wird, ist fantastisch und so lässt sich jeder Spielstil zu jeder Zeit ausprobieren. Allerdings finde ich es etwas doof, dass die Skills an die Waffen gebunden sind. Außerdem sind kleinere Bugs teilweise zwar nicht der Immersion zuträglich, allerdings hindern sie einem nicht am Weiterspielen. Wer Spiele weniger auf ihrem Weg begleiten möchte und sich lieber in das gemachte Nest setzt, sollte noch ein wenig mit dem Kauf warten. Fans von Diablo oder Path of Exile sollten aber definitiv zuschlagen. Ein bisher fantastisches ARPG, das sicherlich noch eine große Zukunft vor sich hat.„