Ohne Shooter? Geht mal gar nicht!
Es kann, aber es muss so nicht zutreffen. Möglicherweise wurden die Spiele gestohlen oder ein Wohnungsbrand hat die Games hingerissen, ihr verzichtet mal freiwillig, aber stellt euch vor, ihr hättet kein Shooterspiel mehr installiert. Euer PC ist öd und leer und ihr schaut wie blöd umher, um mal ohne einen Schuss abgeben zu können, für immer, bzw. zumindest für eine gewisse Zeit, ohne euer geliebtes Hobby, nämlich den schießwütigen Actiongames, auszukommen und euch anders zu beschäftigen.
Montag:
Frohen Mutes habe ich mich entschlossen, einfach mal auf Knallerballerspiele zu verzichten. Ich werfe einfach mal Plants vs. Zombies an und merke plötzlich, dass mir Pflanzen, die ballern können, total gut gefallen. Fasziniert starre ich auf den Bildschirm und verfolge jede Kugel, die durchs Bild fliegt. Die platschenden Geräusche bei jedem Treffer bereiten mir ein unheimliches Wohlgefühl. Doch irgendwann ist auch das langweilig, weil das Spielprinzip „Tower Defense“ halt immer das Gleiche bleibt. Ich sorge für Abwechslung und zocke `ne Runde Solitär, zumindest bis zum Essen. Als Pausenfüller echt gut, auf Dauer ebenfalls langweilig. Ich versuche mich noch einmal bei den Zombiepflanzen, aber nach weiteren zwei Stunden ist für heute irgendwie die Luft raus.
Dienstag:
Habe absolut keine Lust auf Plants vs. Zombies, auch Teil Zwo ist mir heute irgendwie zuwider. Schnell überlegt, womit man sich die Zeit vertreiben kann. World of Warcraft? Diablo? Einfach mal angeworfen und erkannt, dass man nur Nahkampf-Chars erstellt hat. Kurzerhand einen Bogenschützen gebaut und mit der Ballerei angefangen. Dass einem das Schießen so viel Spaß macht, erkennt man erst, wenn`s einem fehlt. Also fröhlich stundenlang durch die Gefilde geschlurft und auf alles und jeden geschossen, der auch nur ansatzweise in mein Sichtfeld kommt. Aber irgendwie fehlt die Action. Einfach einem Raid angeschlossen und sich auf den Weg zu einem Mordsboss begeben, um dem einmal so richtig
die Meinung zu gei…. in den Arsch zu treten. Nach geschlagenen 90 Minuten war auch der Spaß vorbei und zufrieden sammelt man den erbeuteten Loot ein, um diesen entweder selbst zu nutzen oder gewinnbringend zu verscheuern. Cool, neuer, geiler Brustpanzer dabei. Oh, weniger cool, ist schon mitten in der Nacht. Wird Zeit für die Poofe, muss ja morgen wieder raus.
Mittwoch:
Auf dem Weg zur Arbeit komme ich an einem Wald vorbei und die ersten Gedanken, die mir durch den Kopf schießen, sind die Plätze, wo man sich am Waldrand am besten in Deckung begeben kann, um nicht vom Feind gesehen zu werden. Völlig wirsch komme ich vor einer roten Ampel so gerade eben zum Stehen, um nicht dem Wagen vor mir den teuren Lack zu verbiegen. Was war das? Sind das die ersten Nebenerscheinungen? Bei der Weiterfahrt schießen mir Bilder in den Kopf, wie ich mit meinem Fahrzeug durch Zombiehorden rase und aus dem Werkzeug im Kofferraum Waffen kombiniere. Ein Arbeitskollege grüßt mich freundlich und ich ranze ihn an, dass er sich um seinen Scheiß selbst kümmern soll. Mich überrascht meine Aggression. Normalerweise bin ich ein Hochleistungs-Chiller, der nur schwer aus der Reserve zu locken ist. Brauche ich die Shooter, um schlechte Energie abzubauen? Nach Feierabend entschuldige ich mich bei meinem Kollegen und fahre nach Hause. Angepisst von den Nichtskönnern im Verkehr motze ich lautstark herum und bin froh, endlich wieder daheim zu sein. Rechner an! Ach ja, vergessen. Keine Shooter installiert. Starte Subnautica, um mich etwas abzulenken. Es scheint zu funktionieren. Unter der Wasseroberfläche lauern genug Gefahren, man muss für Futter sorgen, Apparaturen bauen, Fahrzeuge reparieren und die Gegend inspizieren. Das macht Spaß. Mit `ner Kanone würde das noch viel mehr bocken, stelle ich fest, aber Schießereien sind hier nicht angesagt. Belassen wir`s dabei. Nach stundenlangem Suchen habe ich endlich alle Teile zusammen, um das Riesen-U-Boot zu bauen. Nach kurzem Gehämmer und Geknalle fällt das fertige Schiff ins Wasser und ich bin müde, aber auch stolz. Also ab in die Heia.
Donnerstag:
Nach einer unruhigen Nacht maule ich alle und jeden auf dem Weg zur Arbeit, auf der Arbeit und nach der Arbeit an. Ich merke, dass mein Aggressionshaushalt etwas aus den Fugen geraten ist. Ich muss mich irgendwie wieder abreagieren. Ein superscharfer Döner lässt meine Geschmacksknospen wegfliegen, aber der Nachgeschmack kommt nach den ersten Schmerzen echt geil! Meine sadistische Ader kommt irgendwie zutage. Minecraft angeworfen und mich dabei ertappt, wie ich mit Redstone und weiterem Zubehör eine Selbstschussanlage erstelle. Ist das ok? Ist das dann Knallerballer? Ich beschließe für mich, dass es auch ein Teil von Minecraft ist und somit kein Shooting. Also weitergemacht. Playerfalle erstellt, damit andere Spieler in ein tiefes Loch fallen, sterben und dessen Inventar wird durch einen Mechanismus direkt zu mir gespült. Ich lache lauthals und diabolische Züge machen sich in meinem Gesicht breit. Bei den Sims baue ich einen Luxuspool und veranstalte mal wieder eine Party. Nachdem sich eine Horde Sims in meinem Pool aufhalten, baue ich die Leiter ab und schaue gebannt zu, wie die Dinger einem nach dem anderen ersaufen. Ich fahre vor Schreck zusammen. Kann es sein, das ich ein Shooter-Junkie bin? Meine Fantasien werden immer heftiger. Jedes andere Spiel wird nach Brutalitäten abgesucht. Ob es bei den Sims auch Stacheldraht gibt?
Freitag:
Nach einer unruhigen Nacht und komischen Träumen wache ich auf und beschließe, heute einfach mal nicht zur Arbeit zu gehen. Ich habe das Gefühl, irgendwem heute weh zu tun. Ich denke mir, dass man als Spieler ruhig mal den dunklen Pfad beschreiten soll und starte War for the Overworld. Ich baue Dungeons und Fallen, quäle meine Minions und schlachte die Menschen ab, die sich in mein unterirdisches Reich verirren und mir mein Gold abnehmen wollen. Ich merke, wie ich vor Aufregung zittere, als ich Folterkammern baue, Menschen in den Knast werfe und dabei gebannt zusehe, wie diese hinter Gittern verhungern, sterben und als Skelett mir zu Diensten sind. Als kleinen Ausgleich starte ich Forest und baue mein Fort zu ende, während ich mit meiner Axt hinter den „Eingeborenen“ her bin, um deren Gliedmaßen auf Pfähle zu stecken. Wie wohl so ein Bein schmecken mag, wenn es stundenlang über dem kleinen Feuer verweilt und vor sich hin grillt? Angewidert, aber irgendwie fasziniert starre ich auf die Gebeine meiner Gegner, während ich in Gedanken dabei bin, meine Axt zu schärfen.
Samstag:
Ein wahre Horrornacht liegt hinter mir. Albträume ließen mich immer wieder hochschrecken, denn Nordkoreaner haben unser Land infiltriert, während ich mit einem Exoskelett vor Zombies flüchten musste. Leicht verwirrt entschließe ich mich, einen Spaziergang zu machen. In gebeugter Haltung springe ich draußen von Deckung zu Deckung, halte einen Ast in der Hand und fuchtele damit herum, als wäre es eine AK-47. Eine Joggerin schaut mich verschreckt an, als ich direkt vor ihr aus den Büschen springe und sie nach einem Medipack und Munition frage. Als sie ihr Handy zückt, beschließe ich, mich auf den Weg zu machen, denn ich wollte auf keinen Fall den dreckigen Bullen in die Hände fallen. Gut getarnt komme ich zuhause an, vermeide aber die Vordertür. Ich klettere über den Zaun, robbe durch die Büsche und beginne, in der Dämmerung leisen Schrittes die Regenrohre hochzuklettern und über den Balkon in meine Wohnung einzubrechen. Ich nehme Fleisch aus dem Kühlschrank und vergesse, es zu braten. Roh geht auch.
Sonntag:
Ich ertappe mich dabei, wie ich im Bademantel, mit Kampfstiefeln und Arbeitshandschuhen bekleidet, auf dem Dach den Schornstein ablecke. Meine Freundin kommt aus dem Urlaub und sieht, wie ich mich an der Regenrinne entlang hangele. Dabei öffnete sich wohl der Morgenmantel und einige Nachbarinnen riefen angewidert nach der Polizei. Nach kurzer Zeit stoße ich ein schlecht verschlossenes Fenster auf und purzle gekonnt ins Zimmer. Meine Freundin steht vor mir und fragt mich, was denn dieser Affenzirkus soll, aber ich rolle nur kurz mit den Augen, stammele irgendwas vor mich hin, kote in die Ecke, stecke Salzstangen rein und schreie sie an, dass der Igel ab jetzt dort wohnt. Geistesgegenwärtig springt meine Freundin ins Wohnzimmer, schaltet Xbox und den Fernseher ein, Call of Duty startet mit voller Lautstärke und ich setze mich, als wenn nichts gewesen wäre, auf die Couch und zocke drauf los. Entspannt und unwissend der Missetaten der letzten Tage genieße ich jeden Moment. Kugeln fliegen mir um die Ohren, orchestrale Musik umschmeicheln meine mittlerweile recht verdreckten Ohren, aber es ist mir egal, ob ich stinke. Krieg fordert nunmal immer seine Opfer. Zwischendurch gönne ich mir ein kühles Bierchen und der Abend rann nur so dahin. Irgendwann betrat meine Freundin den Raum und beschwor mich, niemals in ihrer Abwesenheit noch einmal auf Shooterspiele zu verzichten.
Recht hat`se …