Unser Opa hat immer gesagt: „Früher war alles besser!“ und „Wir waren wenigstens an der frischen Luft, als wir Leute abgeknallt haben!“. So unrecht hatte Opa nicht…
Alt gegen neu, gebraucht gegen Neuauflage. Was ist tatsächlich besser oder leben wir erfahrene Zocker in einer verklärten Erinnerung und schwelgen in den guten alten Zeiten, obwohl es heute wirklich besser ist?
Ich gehöre zu der Generation, die schon in den 80`ern gezockt hat. Wir hatten die ersten Konsolen, die noch einen Radarbildschirm hatten. Wir kennen Pac Man, Lady Bug und Donkey Kong von den Automaten, die damals bei Kaufhof und Kaufhalle in der Spielzeugabteilung oder in den Eingangsschleusen gestanden haben. Da konnte man noch bulgarische Hartwährung einwerfen und die Kisten dachten, es wäre ein Markstück gewesen. In der gesamten Realschule waren mein Kollege und ich die einzigen Schüler, die einen Computer besaßen (!) und wir brachten den Lehrern bei, wie man mit Basic, Peek und Poke umgeht. Sprites waren das angesagte Grafikelement und die Demo- und Crackscene stand mit GCS, TRSI, Razor 1911 und vielen mehr noch ganz am Anfang. Wir erlebten die Operation Fastlink und Operation Bucaneer live mit, in der das FBI und mehrere andere Geheimdienste die bösen Cracker überführt haben.
Ich musste vor gar nicht allzu langer Zeit einen Artikel lesen, der mich geradezu entsetzt hat. Man hat einen Test gemacht und 50 Kids zwischen 6-12 Jahren einen Gameboy in die Hand gedrückt. Anbei waren Super Mario und Tetris. Von den 50 Kids haben tatsächlich nur zwei gespielt, der Rest hat das Handheld ablehnend wieder weggelegt. Dabei sind Tetris und Super Mario die Legenden der Spielegeschichte, aber den Kids war das Gerät nicht hip und spektakulär genug. Wir haben Super Mario gesuchtet und Wettbewerbe ausgetragen, wer am Ende nach dem Durchspielen (das war PFLICHT!) zwei oder drei Münzen mehr eingesammelt hat. Die Kids heutzutage haben keine Ahnung, woher die PS4`s, Xboxen und hochmodernen Windows 10-Computer (natürlich auch Linux…) stammen und es ist ihnen scheinbar auch völlig egal. Sind die technischen Errungenschaften tatsächlich besser oder heule ich hier auf hohem Niveau herum?
Ein gutes Beispiel ist Star Wars. Das erste Star Wars zockten wir auf einem SNES (Super Nintendo Entertainment System), eine 8-Bit Videospielkonsole, in der noch sogenannte Module Platz nahmen, dann eingeschaltet wurden und innerhalb Sekunden war das Spiel bereit. Man konnte im Speeder durch die Wüste heizen, an dem Jawa Sandcrawler emporhüpfen, Gegner und gegnerische Geschütze und Flammenwerfer ausschalten und der Schwierigkeitsgrad war im Gegensatz zum heutigen Mainstream einfach gigantisch hoch.
Ok, zugegeben, das neue Star Wars Battlefront sieht galaktisch geil aus und der Sound ist einfach hinreißend, aber wir haben das SNES-Spiel für gewaltige 129 Mark gekauft und sahen uns dazu berufen, das Ding durchzuzocken, das war eine Frage der Ehre. Heute lullern die Leute herum und meckern über das schwierige Gameplay von Battlefront. Was würden die Leute über das Leveldesign vom ersten Jedi Knight sagen? Nach vier Stunden würden die meisten gefrustet aus dem Fenster springen, aber uns war das egal. Wir hielten durch und hatten den Ehrgeiz, das Spiel zu besiegen.
Noch so ein Beispiel: Doom! Als Doom erschien, hatten wir in unserem Ladengeschäft vier Computer und sogar einen Singlespeed-CD-Brenner, der so groß wie ein Amiga 1000 war und genauso viel Kohle wie ein Golf 1 gekostet hat, als Neuwagen wohlbemerkt! Nach Feierabend blieben die vier Computer an, Doom wurde angeworfen, die Pizzeria telefonisch beauftragt, uns Nahrung und Bier heranzukarren und dann wurde Doom gezockt. Zu viert. Spaß pur, Spannung pur und bis spät in die Nacht. Unsere Mädels wussten Bescheid, wo wir waren, hatten ergo keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Man schoss einfach in die grobe Richtung des Gegners oder Gegenspielers und sammelte Waffen, Munition und Türkarten in drei verschiedenen Farben ein. Mehr war nicht nötig, um uns zu begeistern.
Heute muss es grafisch das Nonplusultra sein, der Sound in Dolby Dicketal und Dünneberg in 7.1 Sternzeit 1743. Fünf, Waffen im Überfluss und die Tastatur ist komplett mit Funktionen belegt, teils sogar doppelt, denn man chattet nicht nur im Team, sondern auch mit einzelnen Personen und weltweit mit allen. MIT ALLEN!
Sind wir denn mittlerweile so abgestumpft, dass man mittels Reizüberflutung und „The more the better“ die verkümmerten Nervenenden aktivieren muss, um überhaupt ein bisschen Spaß zu haben? Zählt puristisches Gameplay nichts mehr? Muss man als Soldat im Spiel 831 Waffen im Gepäck haben, intergalaktische Spacerüstungen mit Überschallschulterpolstern und integrierten Mikrowellenabsorbern oder warum reichen nicht ein Gewehr, eine Handwaffe und drei Granaten wie in Medal of Honor: Allied Assault oder Heroes and Generals? Wozu benötige ich Leuchtkäfer, die den Gegner ablenken, Elektroshockstöße oder ein Wundersprung, der den Gegner zu Boden wirft?
Wir konnten damals ganz entspannt Gott spielen. Man sorgte dafür, dass die Bevölkerung siedeln konnte, sich vermehrte und anschließend den Krieg mit Feind anfing, um am Ende als Sieger vom Platz zu gehen. Das ging los mit Populous und endete in Spielen wie Black and White. Heutzutage scheint das nicht mehr möglich zu sein, mittels simplen Spielprinzips den User vor der Kiste zu fesseln. Da muss schon ein Augenschmaus, gepaart mit dem absoluten Klangerlebnis, über den 37″-4K-Monitor flimmern, während wir damals am Farbfernseher, der 67cm Durchmesser hatte und geschätzte 50 Kilogramm wog, mit Monosound auskommen mussten.
Man muss befürchten, dass die heutige Jugend keinerlei Bezug zur Vergangenheit ihres heißgeliebten Hobbies haben. Stattdessen werden S.W.A.T-Einheiten zum Onlinegegner geschickt, weil der einen genervt oder zu oft erschossen hat oder Rechner mittels DDOS-Attacken lahmgelegt, damit auch alle ja keinen Spaß am Zocken haben dürfen. Früher war alles teuer und wir hätten uns gewünscht, dass alle online erreichbar gewesen wären, also erfanden wir das Blueboxing und Pulsboxing, um kostenlos auf den Mailboxen „surfen“ zu können, die eine ganz andere Bedeutung zu den heutigen Mailboxen hatten. Heute gönnt man dem Gegner nicht die geringste Onlinezeit und hindert ihn daran, online teilzunehmen.
Früher hätte es sowas nicht gegeben. Da gab es Zusammenhalt. Wir gegen die Behörden, gegen die allgegenwärtige Post. Wir mit unseren Zyxel 1496E-Modems oder den Kisten von US Robotics. Wir hatten Sportsgeist. Wir hatten das Pioniergen. Ihr habt nur noch das einkaufen geh`n…
In diesem Sinne…