Wie wird sich der E-Sport in der GroKo verändern? Welche Vorteile ergeben sich für die Teams und den Standort Deutschland? Die Bundestagsabgeordnete Dr. Petra Sitte im Interview.
Seien wir mal ehrlich, wir wissen nicht wirklich, was die GroKo, die neue Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD, eigentlich mit ihrem Satz im Koalitionsvertrag zum Thema E-Sports meint. Und wie realistisch die Chancen tatsächlich sind, dass der E-Sport in Deutschland als offizielle Sportart anerkannt wird. Nicht nur soll dem E-Sport ein höherer Stellenwert verschafft werden, er soll ebenfalls eine offizielle Sportart mitsamt Verbands- und Vereinsrechten werden. Ebenfalls ist der Plan, dem E-Sport zu einer olympischen Perspektive zu verhelfen. Interessant ist auch, dass man in Koalitionsvertrag die positiven Effekte des E-Sports, also des „Zockens“, anerkennt.
Damit wir Klarheit haben und uns grob vorstellen können, haben wir Dr. Petra Sitte, Bundestagsabgeordnete und Teil des Ausschusses Digitale Agenda, einige Fragen gestellt. Fragen, die uns schon länger beschäftigen und wir nun endlich beantwortet wissen wollen. Wie sieht die Zukunft für E-Sport in Deutschland aus, was genau plant die GroKo und welche Vorteile genießen Teams und Spieler? Mehr dazu im Interview.
Foto: Nancy Glor
„Und wenn Motorsport als Sport anerkannt werden kann, fällt mir eigentlich kein guter Grund ein, das nicht auch bei E-Sport zu tun.“
Das Interview führte Max Flor
Shooter-Szene: Hallo Frau Dr. Petra Sitte, vielen Dank erstmal, dass sie sich die Zeit nehmen, um die Fragen zu beantworten. Möchten sie sich vielleicht für unsere Leser kurz vorstellen? Auch, inwiefern sie mit dem Thema E-Sport im Bundestag bereits zu tun hatten.
Dr. Petra Sitte: Mein Name ist Petra Sitte, ich sitze seit 2005 im Bundestag für die Linke und habe meinen Wahlkreis in Halle. Inhaltlich habe ich mich immer mit dem beschäftigt, was man Zukunftsthemen nennen könnte – also Wissenschaft und Technologie auf der einen Seite, aber auch die Themen der Digitalisierung. Im Moment bin ich Sprecherin für Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik der Linksfraktion und sitze daneben noch im Ausschuss Digitale Agenda.
Ich beobachte das Thema E-Sport schon seit einigen Jahren und nehme die Bewegung, die in das Thema in letzter Zeit gekommen ist, daher sehr interessiert wahr. Zuletzt war ich mit dem neu gegründeten eSport-Bund Deutschland im Gespräch und ich habe vor, das Thema weiter zu begleiten, gerade mit Blick auf das, was jetzt im Koalitionsvertrag angekündigt ist.
Shooter-Szene: Wie würden Sie persönlich den Begriff „Sport“ definieren?
Dr. Petra Sitte: Was Sport ist, kann man wohl nicht ein für alle Mal anhand fester Kriterien festlegen. Sicher gehören die Idee des fairen Wettkampfs dazu und die körperliche Betätigung. Als leidenschaftliche Radfahrerin weiß ich, dass die Einbindung von Technik da jedenfalls kein Ausschlusskriterium sein kann. Und wenn Motorsport als Sport anerkannt werden kann, fällt mir eigentlich kein guter Grund ein, das nicht auch bei E-Sport zu tun.
Shooter-Szene: Die damals verhandelnden Parteien CDU, CSU und SPD ließen im Koalitionsvertrag vermerken, dass man dem E-Sport einen höheren Stellenwert verschaffen will. Was genau können wir, die Gamer, uns darunter vorstellen?
Dr. Petra Sitte: Im Koalitionsvertrag ist von einer Anerkennung als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht die Rede. Konkret hängt da einiges dran, was etwa die Einbeziehung in die Sportförderung angeht oder die Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Da das in Deutschland vor allem über Sportvereine und –verbände läuft, wäre es auf der einen Seite wichtig, dass anschlussfähige Strukturen stärker werden, die dann aber auch entsprechende Unterstützung erfahren. Was die neue Bundesregierung da konkret plant, wird sich zeigen.
Shooter-Szene: E-Sport soll als offizieller Sport anerkannt werden. Welche Vorteile hätten kleine wie große Teams dann; könnten sie sich als offizielle Vereine umformieren? Um als Beispiel ein deutsches Team zu nehmen: Könnten sich „Fab Games eSports“ theoretisch als Verein eintragen lassen?
Dr. Petra Sitte: Schon jetzt können sich Vereine in dieser Form organisieren, sie haben nur wenige Vorteile davon, wenn sie z. B. nicht, wie bei klassischen Sportvereinen üblich, als gemeinnützig anerkannt werden. Auf der anderen Seite ist es natürlich problematisch, wenn dann gerade die Abwesenheit solcher Strukturen als Argument gegen die Anerkennung herangezogen wird.
Shooter-Szene: Könnte dieser Plan an den Sportverbänden scheitern und warum? Oder sehen Sie es als realistisch an, dass in näherer Zukunft E-Sport eine offizielle Sportart wird?
Dr. Petra Sitte: Die Diskussion wird in den Sportverbänden bekanntermaßen kontrovers geführt, aber sie ist dort auf jeden Fall angekommen. Der Deutsche Olympische Sportbund hat sich ja zuletzt durchaus aufgeschlossen gezeigt und die Gründung einer Arbeitsgruppe angekündigt. Einige Fußballvereine haben auch schon e-Sport-Abteilungen integriert. Am Ende, denke ich, wird es bei den Sportverbänden insgesamt auf eine Annäherung hinauslaufen, auch weil man sich sonst eine große Chance entgehen lassen würde, Menschen für die eigenen Strukturen und Vorstellungen zu gewinnen.
Shooter-Szene: Außerdem ist es der Plan, dem E-Sport eine olympische Perspektive zu verschaffen. Die Meinung darüber ist noch gespaltener, als nur die Anerkennung als Sportart. Wie sollen diese Perspektiven konkret aussehen?
Dr. Petra Sitte: Darüber, welche Sportarten olympisch sind, entscheidet ja eigentlich nicht die Politik und das ist auch ganz gut so. Insofern weiß ich auch nicht, wie sinnvoll es ist, so etwas in einem Koalitionsvertrag zu verankern. Aber die Diskussion findet so oder so statt – bei den Asienspielen 2022 wird es etwa zum ersten Mal Medaillen im Bereich E-Sport geben. Die Politik kann das wohlwollend begleiten, aber am Ende entscheiden die olympischen Verbände, wie sie sich ja auch bislang gegen die Aufnahme von Motorsportarten entschieden haben.
Shooter-Szene: Welche Mittel und Maßnahmen sind geplant, um den Standort „Deutschland“ für Entwickler von Videospielen und Veranstalter von E-Sports-Events als Austragungsort attraktiver zu gestalten?
Dr. Petra Sitte: Da weiß ich auch nicht mehr als im Koalitionsvertrag steht. Was die Frage der Attraktivität als Austragungsort angeht, gibt es da verschiedene mögliche Baustellen, insbesondere bei der Sportstättenförderung oder der Einreisemöglichkeiten für Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Tournieren.
Was die Entwicklung von Videospielen angeht, ist nun im Koalitionsvertrag angekündigt, in die Games-Förderung einzusteigen. Wie das zahlenmäßig untersetzt sein soll, ist noch unklar. Man wird wohl auch unterscheiden müssen zwischen einer Wirtschafts- bzw. Standortförderung in der Branche, die ja schon jetzt wirtschaftlich erfolgreich ist, und einer Förderung im Sinne einer Kulturförderung, die wohl eher andere Titel betreffen würde als die großen Wettbewerbsspiele im E-Sport.
Shooter-Szene: Welche Vorteile genießt auch der kleine Gamer, also jemand, der nicht in der höchsten Liga spielt, also vergleichbar mit der Kreisliga, nur internationaler.
Dr. Petra Sitte: Gerade das ist meiner Auffassung nach die Aufgabe der Politik: Sportliche Aktivität wirklich in der Breite zu fördern, denn gerade da ist Unterstützung hilfreich. Sport trägt auch insgesamt zu persönlicher Entwicklung und gesellschaftlichem Zusammenhalt bei.
Shooter-Szene: Vielen Dank für das Interview.