E-Sport soll kein Sport sein? Das findet DFB-Präsident Grindel. Doch verrennt er sich in seiner Aussage und entlarvt seine stereotypische Ansicht auf Gamer.
Ein Kommentar von Max Flor
Ab wann ist Sport eigentlich Sport? Eine gute Frage, die sich gar nicht so leicht beantworten lässt. Es gibt keine eindeutige und umfassende Definition des Wortes „Sport“, damit alle Sportarten jemals abgedeckt werden könnten. Wo sich aber alle einig sind ist, dass Sport immer dann Sport genannt werden kann, wenn man sich körperlich betätigt, um zum Beispiel seinem Körper etwas Gutes zu tun.
Sport ist auch, wenn man in zwei Mannschaften oder gegen mehrere Gegner um den Sieg spielt. Ob Fußball, Basketball, Tennis und so weiter. Da wären wir uns ja auch wohl einig. Etwas interessanter wird es bei der Frage, ob Sport auch dann Sport ist, wenn man sich nicht körperlich, sondern mit dem Geiste anstrengt, oder keinen körperlichen, dafür aber eine vom Geschick abhängende Tätigkeit ausführt. Darunter zählt Darts, Billard, Bowling, Schach, Golf, Mathe oder auch Formel 1. Sie sind keine typischen Leistungssportarten, zählen aber auch zum Sport.
Und wie sieht es mit dem E-Sport aus? In dem Namen hat sich „Sport“ ja bereits flagrant versteckt. Doch reicht der Name noch lange nicht aus, dass E-Sport auch als offizielle Sportart anerkannt wird. E-Sport sei keine Sportart, „lächerlich auf den Pobacken sitzen und ein paar Knöpfe drücken, dass ist keine Begabung“. Es gibt aber auch Befürworter, um E-Sport mehr Anerkennung zu verleihen. Da sind zum Beispiel sieben Bundesliga-Clubs, wie Schalke 04, die eine eigene Abteilung nur für E-Sport haben. Aber auch der berühmte Club PSG aus Frankreich hat ein eigenes, sehr erfolgreiches E-Sport Team.
Und auch die GroKo, also die nun doch kommende Koalition aus SPD, CDU und CSU, haben beschlossen, dass man E-Sport anerkennen soll als offizielle Sportart und diese auch unterstützen will. E-Sport als Verbandssport. Und das verwundert wenig, denn E-Sport wird immer größer, die Großereignisse verfolgen Millionen von Zuschauern, die Preisgelder toppen sich gegenseitig Jahr auf Jahr. Erst letztes Jahr toppte sich DOTA 2 einmal mehr mit 24 Millionen Dollar Preisgeld aufgeteilt auf die 18 Teams. Und ständig und beinah im Minutentakt werden neue Tournaments abgehalten.
Der Markt ist riesig, die Spieler sind vielzählig. Die Community wächst weiter und weiter. Ohne, dass ein Ende auch nur im Entferntesten in Sicht wäre. Aus dem einstigen Hobby ist endlich eine gesellschaftlich anerkannte Freizeitbeschäftigung und Lebensgrundlage für viele geworden. Und endlich kennt auch die Politik dies an. Doch einer findet das weniger prickelnd. Der DFB-Präsident Reinhard Grindel.
„E-Sport ist für mich kein Sport.“
„[…] das ist eine absolute Verarmung. Zum Sport gehört, dass man einen direkten Kontakt hat zu denen, mit denen man Sport betreibt, dass der Sport eine soziale Funktion hat, die eben in der Gemeinschaft ausgeübt wird. Und deshalb noch einmal: Fußball gehört auf den grünen Rasen. E-Sport ist für mich kein Sport.“
Damit bezieht sich Grindel entsprechend auch auf die FIFA-Sportszene. In seiner Aussage verstecken sich gleich mehrere unterschwellige Vorurteile gegen den E-Sport. Keine sozialen Kontakte. Man ist vereinsamt in seinem Zimmer, man ist keine richtige Gemeinschaft. Man leistet nicht zusammen etwa. Nein, man ist nur ein Möchtegernheld. Etwas zynisch ist meine Betrachtungsweise zum Schluss, aber so oder so ähnlich stelle ich mir das Bild, welches Grindel im Kopf hat, vor. Schaut er überhaupt E-Sport Großevents?
Wer professionell E-Sport betreibt, der ist eben nicht alleine in seinem Zimmer. Er hat ein festes Team. Und wie in jedem Team wird sich gemeinsam getroffen, gemeinsam trainiert, man unternimmt gemeinsam etwas. Natürlich spielt man auch mal vom eigenen Zuhause aus. Aber welcher Sportler trainiert nicht auch mal alleine in seinem Garten? Bei den Shows heißt es dann, Aug in Aug vor einer Menschenmasse antreten, vor vielleicht Millionen von Zuschauern. Wie bei jedem Sportler lastet hier ein großer Druck auf die Spieler.
Wer gut im E-Sport sein will, der muss oft Jahrelang trainieren, die meisten werden wohl nicht mal in die Nähe eines Finales kommen. Es benötigt höchste Konzentration und noch schnellere Reflexe, als in fast jeder anderen, „richtigen“ Sportart. E-Sport ist aber mit keiner körperlichen oder rein geistigen Sportart vergleichbar. Es ist sein eigenes Ding. Es ist die Zukunft. Viele Kids werden träumen, einmal auf der Bühne zu sein, um Live CS:GO zu spielen und Weltmeister zu werden. Die Welt ist einfach im Wandel. Und das muss sich Grindel eingestehen.
Ich sagte zum Beginn, dass Sport keine eindeutige Definition besäße. Ganz stimmt das nicht. Die SportAccord (heute Global Association of International Sports Federations), also DIE Vereinigung fast aller Sportarten, auch die FIFA gehört zur GAISF, hat eine für alle Verbände geltende Definition aufgestellt.
- The sport proposed should include an element of competition.
- The sport should not rely on any element of “luck” specifically integrated into the sport.
- The sport should not be judged to pose an undue risk to the health and safety of its athletes or participants.
- The sport proposed should in no way be harmful to any living creature.
- The sport should not rely on equipment that is provided by a single supplier.
Siehst du da irgendwo, dass Sport einer körperlichen Fähigkeit vorausgehen muss? Ich nicht. Und auch die Kategorien sprechen für sich, denn da hat die GAISF fünf davon. Zwei davon treffen auch auf E-Sport, also Zocken, zu. „Geist“ und „Koordination“. Beides lässt sich 1:1 auf E-Sport übertragen. Taktisches Verständnis ist der Geist, die blitzschnellen Reaktionen, das gekonnte Nutzen deiner Fähigkeiten oder Steering (zum Beispiel in Rocket League) sind Koordination.
Eine Frage bleibt derweil noch unbeantwortet: Sollte E-Sport eine olympische Disziplin werden? Nein. Denn hier geht es dann doch um die körperliche Tätigkeit. Da kann ein gut genährter Zocker wie ich schlecht auftreten. Ich verstehe also sehr gut, dass man E-Sport nicht auf der Olympia sehen will. Aber ob ein Sport ein Sport ist, hat nichts damit zu tun, ob diese Sportart auch olympisch werden soll.
Da sind, denke ich, Worte gefallen, die so entweder nicht gemeint waren oder einfach aus dem Übermut entstanden sind. Dorothee Bär, die sagte, man wollte E-Sport eine olympische Perspektive schaffen, werde ich noch versuchen zu kontaktieren. Sollte ich hier eine Antwort erhalten, lass ich es euch wissen.
Quelle: Interview im WESER-Strand