Trump hat einen Schuldigen für die Bluttat in Florida gefunden: gewalttätige Medien. Doch verrennt er sich selbst und tut alles dafür, sich und seine NRA als Heilsbringer statt Problemverursacher darzustellen.
Ein Kommentar von Max Flor
Es grenzt beinah an erschreckender Ironie, dass wir erst am letzten Mittwoch mit der Deutschlehrerin einen uralten Text vom Kollegen bei CHIP analysiert haben. Der Titel des Kommentars lautet „Meinung: Spieler auf der Anklagebank“ und befasst sich mit dem Pro und Kontra, ob „Killerspiele“ verboten werden sollten. Dabei wird Bezug auf den schrecklichen Amoklauf vom 26. April 2002 in Erfurt genommen. Der Artikel selbst erschien im darauffolgendem Mai.
In einer Sache waren sich meine Lehrerin und ich einig. „Killerspiel-Debatte? Das ist ja schon uralt und überhaupt kein Thema mehr“. Und hier kommt die Ironie ins Spiel. Denn wir haben die Rechnung nicht mit Präsident Trump gemacht.
Was passiert ist, dürften die meisten von uns mitbekommen haben. Am 14. Februar entschied sich ein junger Mann, gerademal 19 Jahre alt, einen Amoklauf in seiner alten Schule in Parkland zu verüben. 17 Menschen mussten sterben.
Die Debatte in den USA kocht indes wieder hoch. Strengere Schusswaffengesetzte, mehr bewaffnetes Personal, Lehrern das Tragen von Waffen erlauben und – Trumps neuester Schuldiger – gewalttätige Medien reglementieren. Einige Schüler, Überlebende und Augenzeugen der Bluttat setzten sich besonders in den letzten Tagen für deutlich striktere Waffengesetze ein. Bisher ohne Erfolg. In Florida wurde erst vor wenigen Tagen solch ein Gesetzesentwurf mit einer deutlichen Mehrheit von 71:36 abgeschmettert.
Trump mag die NRA (National Rifle Association). Denn sie haben ihm 30 Millionen Dollar gespendet für den US-Wahlkampf. Und er mag Waffen, seltsamerweise erst nach der Spende der NRA. Vorher war Trump kein Hardliner, vielmehr sprach er sich sogar gegen Sturmgewehre aus. Aber nun macht er keinen Hehl daraus, wie toll er Waffen denn fände. Und da kommt es wenig verwunderlich, dass er nun 10-40 % der Lehrkräfte an allen Schulen der USA mit Waffen ausrüsten will. Sie sollen sogar mit Bonuszahlungen dazu ermutigt werden. Mehr Waffen im Kampf gegen Waffengewalt. Wie paradox das klingt, muss man kaum klarstellen.
Und da ein strengeres Waffengesetz kein Thema für Trump und seine Partei, die Republikaner, ist, müssen andere Schuldige her. Es ist also kaum absonderbar, dass es nun wieder die gewalttätigen Medien, besonders die Spiele und Filme, trifft. „Videospiel-Gewalt und ihre Verherrlichung müssen aufgehalten werden – es erschafft Monster!“, sagte Trump bereits lange bevor er Präsident wurde, im Jahr 2012. Nun möchte er „mindestens“ ein Bewertungssystem einführen.
Doch ist Trump dabei entgangen, dass es ein Bewertungssystem längst gibt. Die Motion Picture Association of America, kurz MPAA, ist unter anderem für Filme zuständig und vergibt Alterseinstufungen und Warnhinweise die auf einen Konsum von Tabak oder bestimmte Form von Gewalt- und Sexualdarstellungen hinweisen. Gleiches gilt auch für die Games in den USA. Hier bewertet die ESRB jeden Titel. „Rated M – for Mature“ hat man bestimmt mal in einem Trailer auf YouTube für ein Spiel gehört. Und auch neben der Alterseinstufung gibt es Warnhinweise.
„NRA und Waffen dürfen keine Schuld an Waffengewalt tragen!“
Doch wieso genau spricht Trump jetzt eine Alterseinstufung an, obwohl es die doch seit längerer Zeit gibt? Entweder hat er noch nie von der ESRB und der MPAA gehört. Oder, und das könnte durchaus möglich sein, er strebt eine deutlich strengere Alterseinstufung, nämlich ein komplettes Verbot, an. Darüber hinaus hat er schnell einen Schuldigen für das Massaker gefunden. Es ist nämlich für die Kontroverse, die vor allem durch Emotionen gesteuert wird – wem kann man es verübeln – irrelevant, wie viel Wahrheit manchmal in den Aussagen und angeblichen Fakten steckt. Einige wollen Vergeltung, viele Suchen neben den Schützen selbst weitere Schuldige.
Die Debatte um Killerspiele und ihre Folgen ist älter als es Videospiele gibt. Sie fing schon früh an, natürlich nicht konkret um Videospiele, aber um Gewalt in Filmen. Lange war es verpönt und auch verboten, Gewalt in Filmen darzustellen, zumindest in Hollywood. Als dann Gesetze gelockert wurden, ertönten die Stimmen der Kritiker nur umso lauter. Nun hatte man nach Jahrzehnten dieser elendiglichen Diskussion endlich die Hoffnung, die Menschen, vor allem Menschen in hohen Positionen, langsam verstehen, dass nicht „nur“ das Problem in gewalttätigen Spielen liegt. Ob aus einem Menschen ein gewalttätiger Mensch wird, hängt von etlichen Faktoren ab, die oft schon in früher Kindheit gefunden werden können.
Der Amokläufer Cruz von Florida verlor seinen Adoptivvater als er erst 6 Jahre alt war! Später galt er als Außenseiter. 2017 verlor er seine Adoptivmutter und zog zu einer befreundeten Familie. Man kann und wird vielleicht nie genau wissen, was in seinem Leben passiert ist, was der Junge durchgemacht hat, um so zu werden. Aber dass Videospiele die Schuld an seiner Bluttat haben, das ist ausgeschlossen.
Denn erst im Januar veröffentlichte die Universität York eine Studie, die im Test mit über 2700 Personen aufzeigt, dass gewalttätige Spiele nicht zu gewalttätigen Verhalten führt. Nun sollte man sich vielmehr die Frage stellen, warum ein Junge, der bereits als Waffennarr bekannt war und sich in psychiatrischer Behandlung befand, eine AR-15 besitzen durfte? Dass man so einfach legal an Waffen rankommt hat den Effekt, dass auf Basaren, wo Waffen weiterverkauft werden, keine Background-Checks durchgeführt werden. Das sollte den Amerikanern zu bedenken geben, denn strengere Background-Checks in Waffenläden selbst verhindern die Basare nicht.
Aber man kann nun viel darüber schreiben und debattieren, es wird am Ende nichts helfen. Denn Trumps tatsächliche Intention ist deutlich zu erkennen. Er gibt nicht den Medien die Schuld, weil er davon absolut überzeugt ist. Sondern vielmehr, damit eben die NRA und „seine geliebten“ Waffen keine Schuld tragen. Da kommt es Trump nur recht, dass ein Hilfssheriff am 14. Februar am Tatort nicht in die Schule hineinging und eingriff, um eventuell ein Sterben weiterer Menschen zu verhindern.
Hat der Mann richtig gehandelt? Vielleicht nicht. Doch Trump gibt ihm die gesamte Schuld an allen Toten, wenngleich er es nicht konkret gesagt hat. „Er hatte nicht den Mut gehabt, einzugreifen. Er hat eindeutig einen schlechten Job geleistet. Er war dort für 5 Minuten – 5 Minuten! Das war während des gesamten Vorfalls. Er hat es direkt vom Anfang an gehört. Er hat offensichtlich einen schlechten Job gemacht“.
Wann wird die USA begreifen, dass mehr Waffen immer zu mehr Gewalt führen werden?
aar/AP