Bei Rage 2 denkt man an Apokalypse, wilde Schießereien und flotte Gefechte. Und am besten keine tiefgründige Story, die sich in den Vordergrund drängt. Richtig so.
Im Vorfeld zu Rage 2 hat Bethesda ordentlich die Werbetrommel gerührt, und den kommenden Shooter als das zu vermarkten versucht, was er auch ist: Ein genialer Fun-Shooter, der sich selber nicht so ernst nimmt. Als zum Beispiel am 1. April 2019 „Cheat-Codes“ für das Spiel vorgestellt wurden, wusste die Community nicht, wie sie mit der Meldung umzugehen hatte. War es den Entwicklern ernst, oder doch nur eine Ente. Spätestens seid Release wissen wir: Es war ihr voller ernst.
Story
Die Story in Rage 2 ist nur ein Hilfsmittel, um den Spieler ein wenig an der Hand zu nehmen, und ihm, neben Feuergefechten, einen Sinn im Spiel zu geben (auch wenn die Feuergefechte eigentlich Grund genug sind). Ein wenig mehr Tiefe hätte der Story sicherlich gutgetan. Sie baut lose auf dem ersten Teil des Shooters auf, jedoch werden dem unwissenden Spieler alle nötigen Hintergrundinformationen während des Spiels noch einmal erklärt. Jedoch wird man nicht immer direkt an der Hand geleitet, wie in vielen anderen Shootern. Stattdessen werden einem Tipps gegeben, wie man weiterkommt. Hier ein kleiner Überblick über die Story:
- Der böse Erzfeind, der eigentlich tot ist, greift an.
- Um den Feind zu vernichten, werden ehemalige Bündnispartner, die sich aus den Augen verloren haben, wieder reaktiviert.
- Mache diverse Missionen, um bei den ehemaligen Verbündeten Ansehen und damit deren Hilfe zu erlangen.
- Vernichte den neuen alten Feind.
Soweit so gut. Wie ihr seht, ist die Geschichte in Rage 2 eine ziemliche 0815-Story, ohne nennenswerten Besonderheiten. Und das ist auch gut so. Denn wer sich Rage 2 wegen der Geschichte holt, wird ganz schnell enttäuscht werden.
Gameplay
Rage 2 ist auf dem Prinzip Open World aufgebaut, was sich im ersten Moment spannend, aber auch nach viel Arbeit anhört. Auf der gesamten Karte gibt es verschiedenste Orte, die es zu erkunden gibt. Mal sind es einfach nur Sehenswürdigkeiten, aber oftmals auch Ark-Reaktoren, und besonders viele Gangster-Burgen und Verstecke. Und dazwischen: meist nichts als gähnende Leere. Muss ich mal zu einem Ort, und das ohne Schnellreise, artet das meist in einer langweiligen Autofahrt aus. Nicht einmal Überfälle oder sonstige abwechslungsreichen Unterbrechungen gibt es. Nur ab und zu mal eine riesige Straßensperre, die ich knacken muss. Das ist aber auch das Höchste der Gefühle und es besteht ganz klar Luft nach oben.
Die Karte sieht zwar mit allen Symbolen gut gefüllt aus und macht einen lebendigen Eindruck, doch das Gegenteil ist der Fall. Dennoch verwundert es nicht all zu sehr, Rage 2 spielt doch in einer apokalyptischen Welt. Und sollte ich wider Erwarten Lust auf noch mehr Fahrerei bekommen, gibt es da ja auch noch Rennen, an denen ich teilnehmen kann, oder auch dicke Konvois aus gepanzerten Fahrzeugen, die ich überfallen und zerstören kann.
Das Kampfverhalten
Anders hingegen der Kampf. Er ist das Herzstück des Spiels, und wahrscheinlich auch der Hauptgrund, warum man sich das Spiel überhaupt kauft. Sobald es in einen Kampf geht, stehen euch eine Reihe von Waffen zur Auswahl, um eure Gegner zur Strecke zu bringen. Dabei reicht die Palette von einem einfachen Sturmgewehr, über eine Schrot und Slugs verschießende Schrotflinte bis zu einem Multi-Purpose-Raketenwerfer. Und eigentlich jede Waffe hat spezielle Feuermodi und Eigenschaften. Ein Revolver zum Beispiel spickt die Gegner, auf die ich schieße, mit ferngezündeten Spreng-Brandsätzen. Sobald ich Alternativ-Feuer drücke, zünden dann die Sprengsätze und stecken die Gegner in Brand. Aktiviere ich zusätzlich den Overdrive, geht die Party erst richtig los, denn dann zündet der Revolver sofort, beim Aufschlag.
Der Overdrive ist die nächste gut umgesetzte Idee, um Kämpfe weiter zu beschleunigen und um ihnen zu mehr Dynamik zu verhelfen. Wenn ich genug Gegner schnell hintereinander platt mache, füllt sich das Overdrive-Meter. Sobald ich einen gewissen Schwellenwert überschreite, kann ich diesen Overdrive aktivieren. Am besten stellt ihr ihn euch wie eine Art Boost vor, der eigentlich alles kurzzeitig verstärkt, und mit Kills verlängert werden kann. Im Overdrive regenerieren sich meine Lebenspunkte schneller, und jede Waffe macht mehr Schaden und hat dann einen eigenen Feuermodus.
Doch das ist noch längst nicht alles! Was wären die Kämpfe in Rage 2 ohne meine Nanotrite-Fähigkeiten. Diese kann man sich fast wie Superkräfte vorstellen, die es mir erlauben, auf noch viel schnellere und vor allem coolere Art Gegner zu töten. Da gibt es einerseits Shatter: Damit stoße ich eine Stoßwelle nach vorne aus, die nahe Gegner und Gegenstände wegstößt, ihre Rüstung zerstört, und im besten Fall schwache Gegner gleich tötet. Wahlweise kann ich sie damit aber auch von Dächern oder Klippen stürzen lassen. Mit Abstand die coolste Nanotrite-Fertigkeit ist jedoch Slam. Mit dieser Fertigkeit kann ich mich wie ein Meteorit aus großer Höhe nach unten stoßen, um bei Aufprall eine große Schockwelle zu verursachen, die nahe Gegner wegstößt und schweren Schaden verursacht. Je höher mein Ausgangspunkt ist, desto höher ist auch der Schaden beim Einschlag.
All diese Waffen und Fertigkeiten kommen allerdings nicht ohne ihren Preis. Denn diese sind nicht sofort für mich verfügbar. Nein, ich muss mir erst jede Waffe und jede Fähigkeit aus einer Art geschützen Bunker, den sogenannten Arks, besorgen. Und diese sind auf der gesamten Karte verstreut und meist durch starke Gegner gesichert. Doch was wäre Rage 2 schon ohne Herausforderung. Und genau diese Kombination, aus gut designten Waffen, die viel Herz haben, zusammen mit den speziellen Kampffähigkeiten und dem zuschaltbaren Boost, machen diesen genialen und schnellen Kampfstil aus. Es erinnert nicht ohne Grund ein wenig an Doom, was ausgesprochen gut ist.
Atmosphäre
Für einen postapokalyptischen Shooter mutet Rage 2 zuweilen sehr bunt an. Das kann ich besonders in der Nacht und in den großen Siedlungen feststellen. Die Entwickler setzen generell eher auf freundliche, aber auch aggressiv stimmende Rot-Töne. Zum Vergleich: Fallout ist seid jeher eher trist in Grau, Grün und Braun gehalten. Und auch die Gegner kleiden sich oft gewagt modern. Die Goons, als eine der Gegner-Fraktionen im Spiel, sind Punks, die gerne Graffiti sprühen, knallbunte Irokesen-Frisuren tragen und sich gerne prügeln. Davon abgesehen wirkt die Landschaft dennoch apokalyptisch trostlos, und ist gleichzeitig ausgezeichnet inszeniert.
Selbiges gilt für die meisten Fahrzeuge, die ich im Spiel finden kann. Meist handelt es sich hierbei um irgendwelche aufgemotzten Max-Max-Kisten mit dicken Wummen und martialischen Verzierungen. Kein Wunder, sind die Mad-Max-Macher von Avalanche Studio doch Mitentwickler bei Rage 2 gewesen. Davon abgesehen ist die Grafikqualität nichts Außergewöhnliches und wirkt 2019 sogar leicht angestaubt. Doch dafür läuft das Spiel umso flüssiger, und auch der Sound ist ausgesprochen gut getroffen. Waffen hören sich wuchtig an und Explosionen sind wirkliche Explosionen, nicht bloß eine kleine Verpuffung.
Fazit
Rage 2 gefällt mir. Sogar sehr gut. Ich finde das Waffenverhalten, die Fähigkeiten, und den Overdrive, ja den gesamten Kampf sehr dynamisch und gut gestaltet, so wie man es von id Software auch nicht anders erwartet hätte. Die Geschichte ist so 0815, und zudem langweilig, und trotzdem gefällt mir Rage 2. Und das vor allem wegen der schier endlosen Gewalt, dem Kampf und den endlosen genialen Kombos, die so viel Spaß machen. Wer diesen Shooter kauft, sollte sich nicht auf eine spannende Story, sondern auf dynamische und blutige Kämpfe freuen.