Blizzard hat einige Projekte an die Wand gefahren. Darunter am bekanntesten Starcraft: Ghost und Titan. Jahre der Entwicklungszeit wurden in den Sand gesetzt. Doch genau diese Misserfolge sichern nun das Überleben des Entwicklers ab.
Einleitung
Blizzard ist bekannt für qualitativ hochwertige Spiele. Ob man diese mag oder nicht, muss jeder selbst wissen. Man kann jedoch schwer abstreiten, dass Blizzard stets Produkte liefert, die auch wirklich ihren Preis wert sind. Das dürfte bisher auch daran liegen, dass Blizzard immer in ihrem Genre-Bereich und an bereits bestehenden Universen festhielt. Doch bei neuen Marken geschah lange nichts mehr. Man bleibt bei World of Warcraft, Diablo oder Starcraft und brachte stets Add-ons und Fortsetzungen raus. Das letzte „Universum“, welches sie etabliert hatten, war Starcraft… Im Jahre 1998. Danach folgten immer wieder neue Spiele, zwar mal mit neuen Konzepten, aber stets basierend auf den alten Welten, die bereits existierten. Mit World of Warcraft folgte das letzte, eigenständige Franchise, basierend auf dem Warcraft-Universum, im Jahre 2004.
Aber mit Overwatch hat Blizzard 2016, nach 19 Jahren, zum ersten Mal den Schritt gewagt, nicht nur in unbekannte Genre-Gewässer vorzustoßen, sondern auch eine ganz neue Marke zu erschaffen. Mit einer ganz eigenen Lore. Dabei war schon viel öfter geplant, den Spielern etwas Neues zu präsentieren. Darunter wäre zum Beispiel Starcraft Ghosts. Zwar spielte dies in der Welt von Stracraft, jedoch war dies der erste Ansatz eines Shooters und somit weit entfernt von den typischen Blizzard-Genres. Veröffentlicht wurde das Spiel jedoch nie.
Dann gab es da noch Titan, das Next-MMO Spiel, welches „WoW ablösen soll“. Bis man, laut CEO Mike Morhaime, auch dieses Spiel schweren Herzens abstieß. Morhaime meinte 2014 in einem Interview, man hätte auch einige weitere Titel in den vergangenen Jahren nicht weiterentwickelt, da stets die Qualität und eigenen Ansprüche nie den Erwartungen und Maßstäben entsprachen. Zwar ist MMO kein unbekanntes Genre für Blizzard, jedoch waren sie dabei, ein eigenes Universum zu kreieren und viele neue und innovative Gameplay-Elemente zu erschaffen.
Beide Spiele sorgten dafür, dass wir heute Overwatch spielen dürfen und dass wir auch weiterhin neue Marken von Blizzard erwarten können. Um das besser zu verstehen, beleuchten wir den Entwicklungsprozess einmal kurz. Angefangen bei Starcraft: Ghost.
Ein Tagebuch:
Starcraft: Ghost war Blizzards erster Shooter, die Idee kam aber von Nihilstic Software
Wie es zu Starcraft: Ghost (2002) kam
Neben Titan wurde im selbigen Interview (2014) mit Polygon auch Starcraft: Ghost offiziell als beendet erklärt. Ghost lag ganze zwölf Jahre still. Mehr oder weniger. Auf irgendeine Art war es immer präsent und hier und da ein Gesprächsthema. Der Starcraft-Shooter war die Idee von Robert Huebner und dem frischen Entwicklerstudio Nihilistic Software. Sie traten damit bei Blizzard an. Und hatten auch Erfolg, zumindest für diesen kurzen Zeitraum. Das Spiel wurde auf den alten Generationen der Xbox und PlayStation 2 entwickelt, doch die Next-Gen stand kurz bevor, mit der PS3 und der 360. Ein Wechsel auf die neuen Plattformen war essentiell wichtig für den Erfolg und gleichzeitig beinah technisch unmöglich zu bewerkstelligen. Weshalb es zwar als Projekt immer existierte, aber nie wirklich daran gearbeitet wurde. Damit war auch Nihilstic aus dem Spiel.
Das Ende von Nihilstic (2012)
Nihilistic Software verkommt zu einem kaum bekannten Entwickler-Studio und benannte sich schließlich in nStagite Games um. Nur um dann einen Monat später ihr letztes Spiel zu veröffentlichen. Call of Duty: Declassified wurde für Activision als die PS Vita Version von Black Ops 2 entwickelt und vertrieben. Und war so schlecht, dass das Grab schon fertig geschaufelt war, bevor der Release überhaut stattfand. IGN sagte passenderweise in ihrem Review: „Black Ops Declassified schafft es, an jeder Ecke zu stolpern; schlechter Multiplayer; schlechte Kampagne und schlechte Controls. Kauft es nicht“. nStigate musste sich also nur noch gemütlich in das Erdloch legen, während die Community und die Reviewer die Beisetzung vollendeten.
Ironisch an der Geschichte: Sie wollten bereits 2002 mit der Zusammenarbeit bei Blizzard von einem Shooter groß rauskommen. Dies hat bekanntermaßen nie geklappt. Dann sollte der Durchbruch mit Activision und Call of Duty, ebenfalls bekanntermaßen ein Shooter, kommen. Womit sie sich am Ende nur selber den Gnadenschuss versetzten. Ein Arzt würde eine chronische Shooter-Allergie diagnostizieren und eine Kur in Sunset Valley empfehlen um das Leben zu genießen, hätte es noch Lebenszeichen gegeben.
Doch unser Dank darf trotzdem Nihilstic bzw. nStigate gelten, denn vermutlich wäre Blizzard nie auf den Trichter gekommen, einen Shooter zu entwickeln – wenn sie es noch nie vorher getan haben. Dank Ghost hatte Blizzard also bereits die nötige Erfahrung mit Shooter-Elementen sammeln können. Also, vielen Dank Nihilstic alias nStigate und „Rest in Peace“.
Titan (2007-2014) gibt uns Eindrücke über Blizzard als Firma von innen
Titan wurde nie offiziell angekündigt, vermutlich wollte man nicht noch einmal so einen Hype wie bei Ghost generieren. Zwar war der Name stets Thema; es gab Leaks und Mitarbeiter schwärmten von dem Spiel. Doch waren es immer nur inoffizielle Infos. Die Führungsriege von Blizzard schwieg fast wie ein Grab. Bis auch die Entwicklung an Titan 2014 offiziell beendet wurde. Es fehlte Motivation, man habe sich zu hohe Ziele gesetzt. Man wäre nicht nur gescheitert, es hätte verheerender nicht sein können. Doch das Team um Titan, welches teilweise schon zu Diablo und World of Warcraft umgestellt wurde, wollte es unbedingt wissen, es der ganzen Firma zeigen und „sie stolz machen“. So entstand schlussendlich Overwatch, welches viele Elemente aus Titan übernahm.
Titan ist zwar nicht direkt das Gerüst von Overwatch, aber zumindest eine Stütze des Ganzen. Und wäre das Team nicht so hoch motiviert gewesen und zuvor so katastrophal gescheitert, dass man es ganz Blizzard „beweisen“ will, dann hätten wir vermutlich auch heute noch kein Overwatch. Daraus kann man zumindest schließen, dass bei Blizzard viel Wert auf kreative Entfaltung gelegt wird und man auch in den Chefetagen weiß, dass man aus Fehlern lernen kann. Das spricht nur für diese Firma als Ganzes. Auf jeden Fall wurden die Entwickler nicht allesamt gefeuert oder ein unfertiges Spiel veröffentlicht.
Overwatch (2016-dato) war erst der Anfang einer neuen Blizzard-Ära
Und wie geht es nun weiter? Overwatch soll nicht erneut für zwei Jahrzehnte die letzte Marke sein, die veröffentlicht wird. Blizzard hat Pläne und holt sich tatkräftige Unterstützung von einem der Gründungsmitglieder, welches zeitweise als einziges die Firma verlassen hatte. Allen Adham dürfte wahrscheinlich nur echten Blizzard-Kennern ein Begriff sein. Aber viel mehr haben seine Spiele gespielt. Ihr sucht einen Schuldigen für eure WoW-Sucht oder für eine Partie Starcraft nach der anderen? Hier habt ihr ihn gefunden. World of Warcraft war dabei Adhams letztes Spiel, welches er für Blizzard als Lead Designer maßgeblich mit erschuf.
Adham kehrt zurück (08/2017)
Er kehrt nun zu Blizzard zurück, um, so Morhaime, neue Marken und Spiele zu entwickeln. Blizzard sei nämlich laut dem CEO so gut aufgestellt, was neue Ideen und Konzepte angeht, wie noch nie zuvor. Man ist bereit, auf erdenklichen Plattformen Spiele zu entwickeln, auch Mobile-Games. Es wurden auch bereits einige der besten Entwickler der Firma von aktuellen Projekten abgezogen, um für frischen Stoff zu sorgen. Kommende Projekte sollen aber der typischen Philosophie entsprechen. Nur qualitativ hochwertige Blockbuster, die ein großes Spektrum an Spielern ansprechen. Keine waghalsigen Projekte oder Konzepte für eine Randgruppe. Der Spaß für die Gamer steht dabei immer im Vordergrund.
So viel aus dem Tagebuch zu Blizzard und Overwatchs Entstehungshistorie. Daraus können wir nun einiges lernen und verstehen entsprechend mehr.
Blizzard kann auch anders
Nämlich zum Beispiel, dass Overwatch ausschlaggebender Punkt dafür ist, dass Blizzard nun endlich neue Konzepte entwickeln und auch realisieren bzw. veröffentlichen wird. Bis 2016 war der Entwickler nur ein Hersteller von MMOs, Strategie-Games und Action-RPGs. Hier kannte man sich aus. Hier wusste der Kunde, was er bekommt. Doch Overwatch zeigte, dass in Blizzard viel mehr Potential steckt, viel mehr in den Köpfen der Entwickler, was nach draußen dringen will. Nun weiß es jeder: Blizzard kann auch anders.
Die Misserfolge, aus denen schließlich Overwatch resultierte, sichern Blizzard schlussendlich das Überleben. Und gab ihnen die nötige Motivation und das Selbstbewusstsein, auch weitere Projekte und Marken zu fördern und zu entwickeln. Der Erfolg von Overwatch war der entscheidende Casus knacksus, der den Schalter bei Blizzard von Monotonie auf Vielfalt umlegte und die Angst, alte Fehler zu wiederholen oder die Spieler nicht anzusprechen, vom Tisch fegte.
Die Fehlschläge „Titan“ und „Ghost“ und dessen Resultat „Overwatch“ sichern das Überleben von Blizzard
Dabei ist es nicht nur für uns Gamer interessant, dass Blizzard wagt, neue Wege einzuschlagen… Auch für das eigene Überleben der Entwicklerschmiede. Starcraft 2 hat Story-technisch sein Ende gefunden und Diablo 3 liegt zurzeit auf Eis. World of Warcraft dürfte zwar noch einige Jahre gut laufen, aber auch hier ist irgendwann die Luft raus und wird vielleicht schon bald ein abschließendes Add-on erhalten. Es musste also irgendwie weiter gehen mit Blizzard, in eine neue Richtung.
Selbstverständlich kann man auch weiterhin neue WoW-Add-ons, ein Starcraft 3 oder Diablo 4 entwickeln… Aber ob dies auf lange Zeit reicht, als große Entwicklerfirma weiter zu bestehen? Wohl kaum. Dafür ist Blizzard nicht ausgelegt, die Titel nicht für ständige Nachfolger gemacht, abgesehen der Add-ons zu World of Warcraft.
Somit kam Overwatch genau zum richtigen Zeitpunkt. Nicht zu früh, dass es unreif ist. Und nicht zu spät, dass Blizzard bereits nur der Schatten seiner selbst ist und so nie den Hype hätte für Overwatch generieren können. Overwatch sichert schließlich Blizzard das Überleben. Und gab ihnen die nötige Motivation und das Selbstbewusstsein, ab sofort auch weitere Projekte und Marken zu fördern und zu entwickeln. Der Erfolg von Overwatch war der entscheidende Casus knacksus, der den Schalter bei Blizzard von Monotonie auf Vielfalt umlegte und die Angst, alte Fehler zu wiederholen oder die Spieler mit dem Produkt nicht anzusprechen, vom Tisch fegte. Die Fanbase nahm das neue Konzept an und ist nun auch bereit für weiteres.
Was nun folgt an Spielen, kann man nicht sagen. Wie immer dürfte Blizzard hier lange schweigen. Selbst wenn Informationen durchsickern würden, hat Blizzard bereits bewiesen, dass sie auch Projekte mal wieder einstampfen, wenn es nicht so geworden ist, wie sie es sich vorgestellt haben. Oder nicht den qualitativen Standards entspricht.
Anm. d. Autors: Bei „Ein Tagebuch“ forsche ich in der Vergangenheit nach, um entweder zu unterhalten, zu ergründen oder Zusammenhänge herzustellen. Ziel ist aber, mehr oder weniger chronologisch anhand von Ereignissen eine Geschichte zu erzählen, die es sonst nur als Bruchstücke im Internet auffindbar sind. Da es sich um eine Kolumne handelt, sind vage Vermutungen, Vorschläge oder Meinungen enthalten.