Getrieben von Rachsucht und Schuldgefühlen, ist Aiden Pearce, ein brillanter Hacker dessen kriminelle Vergangenheit zu einer brutalen Familientragödie führte, auf der Suche nach Gerechtigkeit für diese Ereignisse. In Chicago ist durch das sogenannte Central Operating System alles miteinander verbunden und Aiden macht sich genau das zur Waffe. Ubisofts neuester Open-World Kracher soll bekannte Genre-Brüder in den Schatten stellen – ob das gelingt, erfahrt ihr in unserer Review.
Schon 2009 war bekannt, dass Ubisoft Montreal an Watch_Dogs unter dem Namen „Nexus“ arbeitete. Inspiriert von den allseits bekannten Hackergruppe „Anonymous“ und anderen Hackern, entwickelte das Studio ein Spiel, welches den technologischen Fortschritt thematisierte. Nachdem man das Spiel zwei mal aufgrund verschiedener Aspekte verschob, erschien Watch_Dogs nun endlich für PS3, PS4, Xbox 360, Xbox One und PC.
Handlung
Watch_Dogs spielt in einem fiktiven Chicago aus der Zukunft, in der so gut wie alle technologischen Geräte in dem Netzwerk namens Central Operation System (ctOS) miteinander verbunden sind. Das System konzentriert sich auf Verkehrseffizienz, Öko-Entwicklung, Telekommunikation und Verbrechenskontrolle, was bemerkenswerte Vorteile für die Bürger brachte, wie zum Beispiel kürzere Arbeitswege, gesenkte Kriminalitätsraten, eine saubere Stadt und vieles mehr. Ihr spielt Aiden Pearce, ein Mann geformt von Gewalt und besessen von Kontrolle, welcher seine restliche Familie rund um die Uhr überwacht, um sie vor etwas zu beschützen, was in der Vergangenheit passiert ist. Durch seinen Fehler brachten unbekannte Mörder seine Nichte um und sowas soll sich nicht wiederholen – im Gegenteil. Auf dem Weg seines Rachefeldzugs beobachtet und hackt er alles um sich herum durch das Manipulieren des ctOS von seinem Handy aus und steuert Ampeln, öffentliche Verkehrsmittel und lädt sich persönliche Daten, um ein Ziel ausfindig zu machen.
Die Story um Aiden Pearce ist eindrucksvoll inszeniert. Flashbacks geben genug Infos über die Vergangenheit und sorgen auch für das nötige Verständnis der Handlung, die zu Anfang doch etwas löchrig ist und Fragen in den Raum wirft, die allerdings im Laufe des Spiels aufgelöst werden. Was ziemlich komisch wirkt, sind die Selbstgespräche, die Aiden öfters führt und sich dort in der dritten Person selbst anspricht, aber trotzdem ist die Story etwas frisches und könnte in diesem Punkt sogar Bioshock: Infinite schlagen. Schade ist allerdings, dass die Handlung linear durch nur einen Missionsstrang erzählt wird, denn wir hätten gerne mehr über Aiden in charakterbezogenen Nebenmissionen erfahren.
Gameplay
Die Hauptmissionen sind allesamt anders gestaltet, obwohl teilweise fast immer dieselben Elemente enthalten sind: hacke diese Person, finde heraus wo sich die Zielperson befindet und töte sie. Es gibt allerdings auch Missionen, die herausstechen, wie zum Beispiel eine Mission, in der man eine Person aus einer gefährlichen Zone eskortieren muss, indem man ihr Anweisungen über die Sicherheitskameras gibt. Bei den meisten Aufgaben hat man selbst die Wahl, ob man die Gegner in einem Gebiet mit viel Action und Schussfeuer abknallt, oder ob man stealthy einen nach dem anderen tötet, beziehungsweise sogar Gegner am Leben lässt, um an sein Ziel zu gelangen. Genau diese Entscheidungsfreiheit und die handvoll anderen Missionen machen Watch_Dogs so abwechslungsreich, dass es bis zum Ende der Haupt-Story nicht langweilig wird, obwohl die Schleich-Passagen mehr Spaß bringen. Die wirklich zahlreichen Nebenmissionen, oder „Fixer-Events“, die hin und wieder aufploppen, machen nach ein paar mal nicht mehr Spaß. Doch jede vollendete Mission gibt Erfahrungspunkte, die man in gut durchdachte Fähigkeiten investieren kann, was diese Nebenmissionen wieder lohnend machen.
Das Hacken fast aller elektronischen Sachen wurde intelligent eingesetzt und ist auch außerhalb der Missionen nützlich. Aber vor allem in dem Haupt- und Nebenmissionen eröffnet das Hacken von Sicherheitskameras, Ampeln, Pollern, Trafos und zahlreiche anderer Dinge neue Wege, die Missionen zu meistern, obwohl nicht jeder Hackversuch zum Ableben des Gegners führt. Denn die KI der feindlichen Charakteren erkennt oft gehackte Kreuzungen, oder Brücken und umfährt diese einfach, sodass das Ausschalten von Gegnern nicht immer leicht ist. Auch in Feuergefechten ist die KI nicht zu schlau und auch nicht zu dumm, sodass Fehler des Spielers erkannt und auch bestraft werden.
Leider geschehen diese Fehler oftmals wegen der Steuerung am PC mit Maus und Tastatur, die wirklich ruckelig und eine Qual für jeden PC Spieler darstellt – Controllersteuerung dringend empfohlen! Außerdem ist die Steuerung von Fahrzeugen ziemlich arkadelastig und braucht einige Zeit, um sich daran zu gewöhnen.
Das eindrucksvollste an Watch_Dogs ist allerdings die Tiefe und Details, die man überall in Chicago finden kann. Nicht nur die Spielwelt ist abwechslungsreich gestaltet, auch die Passanten und Bürger, die man in den verschiedenen Bereichen antrifft, geben durch den ctOS-Scan etwas von sich Preis. Man erhält nur wenige Informationen von einer Figur (Name, Alter, Beruf, Einkommen und eine besondere Eigenschaft) und schon wird diese Figur zu einer scheinbar echten Person. Man kann Anrufe und Chat-Verläufe abhören beziehungsweise mitlesen und man erhält Zugriff auf ein vermeintliches echtes soziales Leben und genau das macht Watch_Dogs aus. Die Stadt lebt – jede einzelne Person lebt und man ist selbst mittendrin und wird dadurch in die Spielwelt eingezogen. Es sind die Kleinigkeiten, die das Spiel ausmachen: Es fängt an zu regnen und die Passanten um einen herum reagieren darauf, suchen Schutz vor dem Regen und sagen Sachen wie „Nicht schon wieder!“, oder „Ich zieh nach Los Angeles.“ Überall trifft man auf Menschen, die etwas machen und es macht Spaß so eine lebendige Welt zu erleben.
Grafik & Design
Die Grafik und das Design von Watch_Dogs ist ganz anders als dass, was uns in einigen Gameplay-Trailern versprochen wurde. Damit soll nicht gesagt sein, dass das Spiel schlecht aussieht.
Ganz im Gegenteil: Die Grafik haut einen in einigen Momenten von den Socken: Licht und Wettereffekte sind trotzdem schön anzusehen, das Wasser sieht umwerfend aus und hat wunderschöne Bewegungsanimationen und Texturen sind seltenst verschwommen. Zum Beispiel am sogenannten digitalen Trip „Spider-Tank“ kann man wieder sehr gut die Liebe zum Detail erkennen, da die Gestaltung und Animation einer schier unwichtigen Nebensache sehr gut gelungen ist. Allerdings hätte man vielleicht sogar mehr aus Watch_Dogs herauskitzeln können.
Da sieht man, dass die Entwickler sich darauf hätten konzentrieren sollen, das Spiel nur für Next-Gen und PC zu entwickeln. Die verschiedenen Charaktere, die man im Spiel entweder als tragende Rolle für die Handlung, oder einfach nur als Passanten auf der Straße trifft, haben ihre eigenen charakteristischen Merkmale. Im Vergleich zur Konsolenversion, sieht Watch_Dogs auf dem PC allerding viel besser aus. Das hängt zum einen mit Nvidias HBAO+ zusammen. Mit dieser Verbesserung von HBAO, oder dem Vorgänger SSAO, wird dem Spiel nochmal ein gewisser Grad an Realismus gegeben, indem die Schatten und Texturen viel schärfer erscheinen und schneller geladen werden, als nur mit HBAO. Zum anderen liegt das auch am Einstellen von zeitlichem Antialiasing, dem TXAA. Mit dieser Technologie, die ebenfalls bei CG-Filmen in ähnlicher Ausführung eingesetzt wird, wird das Flackern zwischen einzelnen Frames nochmal reduzieren, was für ein flüssigeres Spielerlebnis führt – auf dem PC fühlt sich Watch_Dogs um einiges realistischer und geschmeidiger an.
Sound
Der Soundtrack während einiger Missionen sorgt für die nötige Spannung und Atmosphäre. Ist man gerade nicht auf einer Mission, kann man im Fahrzeug und zu Fuß durch die „Media-App“ Musik aus dem Spiel wiedergeben. Dabei ist alles für fast jeden Geschmack dabei und für eine gute Mischung ist gesorgt. Die deutsche Synchronisation hat bei manchen Charakteren einfach geschlampt: So hat ein ungefähr 40 jähriger Mann mit Glatze die Stimme eines 20 Jährigen, was oftmals für Verwirrung sorgen könnte. Aidens Stimme passt super zu ihm, allerdings passt die Art wie gesprochen wird zu einigen zahlreichen emotionalen Momenten nicht, was Aiden in der deutschen Synchro etwas zum kaltherzigen „Rächer“ werden lässt, obwohl an einer anderen Stelle gesagt wird, dass er „nah am Wasser gebaut ist“.
Multiplayer
Es gibt sechs verschiedene Online Spielmodi für Watch_Dogs: Freies Spiel, Online-Entschlüsselung, Online-Beschattung, Online-Hacking, Online-Rennen und ctOS-Mobil-Herausforderung. Freies Spiel macht mit Freunden am meisten Spaß, da man einfach durch die gesamte Stadt fahren kann und fast jeden Scheiß anstellen kann.Online-Entschlüsselung und Online-Beschattung bieten überraschenderweise sehr viel Action und bestehen meistens daraus, den Gegner (bzw. das gegnerische Team) daran zu hindern, ein Ziel zu hacken, oder sie zu töten (bzw. zu beschatten).
ctOS-Mobil-Herausforderung konnte von uns nicht getestet werden, allerdings ist das Highlight im Online Modus das Online-Hacking, denn hier kann es passieren, dass sich ein anderer Spieler in das eigene Singleplayer-Spiel einhackt und man den Störenfried finden und töten muss – oder eben umgekehrt. Dieser Spielmodus ist richtig spannend, lustig und vor allem nervenaufreibend. Generell bietet der Multiplayer einige weitere abwechlungsreiche Spielstunden, ist allerdings nicht zu vergleichen mit der Tiefe und Vielfalt von GTA V.
Watch_Dogs ist ein Open-World Titel mit offensichtlichen Ecken und Kanten. Die Grafik ist lange nicht so gut, wie sie versprochen war, die Steuerung der Fahrzeuge ist äußerst schlecht und so mancher Bug trüben den Spielspaß. Allerdings macht Watch_Dogs einige Sachen richtig und erfindet sogar neues: das Hacken wurde intelligent in das Spiel umgesetzt, Chicago und die dortigen Missionen sind umfangreich und abwechslungsreich gestaltet und vor allem die detailreiche Umgebung machen Watch_Dogs zu einem unvergesslichen Spielerlebnis.
Genau diese Aspekte lassen Ubisofts neueste Schöpfung in einem direkten Vergleich zum Genre-Konkurrenten Grand Theft Auto V verdammt gut dastehen. Für Open-World Fans ist Watch_Dogs ein Muss und für Fans von abwechslungsreichen Third-Person-Shooter Parts, Schleich-Passagen, einer tiefen Story und der Liebe zum Detail auf jeden Fall zu empfehlen.