Wer sein Spiel ein RPG nennt, nimmt sich einer großen Herausforderung an. Ubisoft tut dies mit The Division – aber keineswegs überzeugend.
Was genau ist The Division eigentlich? Ein MMO? Ein Shooter? Laut Ubisoft tatsächlich ein RPG. Dementsprechend ist es nur fair, den Titel mit einem anderen Platzhirsch des Genres zu vergleichen – Fallout 4.
Einige von euch werden sich vielleicht schon gewundert haben: Lange ist es her seit meiner letzten Schimpftirade, keine Nörgeleien, Haterein oder sonstige „konstruktive Kritik“ an einem Spiel, besonders The Division. „Ist der Typ krank?“, dürfte sich mancher gefragt haben. Natürlich in der festen Überzeugung, dass meine wenig bescheidene Wenigkeit einen immanent wichtigen Platz in eurem täglichen Denken einnimmt – was auch sonst. Und ja, ich war krank. Nervige Sache. Aber inzwischen juckt es mir zu sehr in den Finger, los zu werden, warum mich Ubisoft und The Division langsam aber sicher zur Weisglut bringen. Und ihr dürft es lesen – ihr glücklichen.
Beginnen wir mit der These, The Division sei ein RPG. Ein Role Playing Game. Mir stellt sich so gleich die Frage, wo und wann in The Division ich meinen Charakter ausspielen darf oder kann. Wann gibt mir das Spiel jemals eine Entscheidung? Richtig, nie. Unser Charakter ist überhaupt sehr schweigsam, hat keinen Namen, keine Eigenschaften, nichts, was ihn von all den anderen Agenten unterscheidet. Womit wir zum nächsten Punkt kommen: Die Skills.
Im Massive Hauptquartier kam also irgendjemand irgendwann auf die glorreiche Idee, ein RPG machen zu wollen. Zutaten für ein RPG? Skills. Ham wa in The Division. Also alles gut, oder? Irgendwie nicht. Ja, es ist richtig, dass und das Spiel einige Skills, Talente und Fähigkeiten anbietet. Das Problem ist aber, dass auch hier keine Entscheidungen getroffen werden müssen – will ich lieber diesen Skill oder jene Fähigkeit? Warum wählen, ich kann ja alles haben. Dadurch sinkt nicht nur der taktische Anspruch und die Vielfalt des Spiels auf ein Minimum, Wiederspielwert ergibt sich dadurch gleich null. Der einzige Grund für Spieler, einen neuen Charakter zu erstellen, ist die Tatsache, dass Items und Phönix Credits Account weit geteilt werden – je mehr Charaktere man hat, desto einfacher und öfter kann man das Spiel abfarmen. Außerdem benutzen viele Spieler ihre Zweitcharaktere, um ungestraft die DarkZone unsicher zu machen – Levelverlust spielt keine Rolle, da nur Zweitchar.
Das Problem mit den Skills lässt sich auf das gesamte Spiel übertragen. Überall gibt es Ansätze, die auf ein RPG hindeuten – aber es wirkt eher so, als hätte jemand diese Ansätze blind zusammengewürfelt und keinen davon zuende gedacht.
Ein weiteres Problem ist die Spielwelt. So schön sie auch umgesetzt sein mag – sie ist dennoch ziemlich monoton. Die NPCs sind Bots, mit denen ihr nicht interagieren könnt, die meisten Häuser sind nicht begehbar, alles wirkt irgendwie zu statisch. Ubisofts größtes Problem bei Open World-Titeln ist, dass der Publisher euch nichts entdecken lässt. Am Anfang des Spiels geht ihr an eine Tafel, die dann sämtliche wichtigen Plätze auf der Map für euch aufdeckt. Wo ist da der Spaß? In Fallout 4 entdecke ich selbst nach über 150 Stunden Spielzeit und mit meinem zweiten Charakter immer noch neue und faszinierende Orte, die mich hundert mal mehr flashen als jeder Ort in The Division – trotz weit unterlegener Grafik. Ubisoft muss lernen, dass man nicht am Anfang eines Buches verrät, wer der Mörder ist, wo er sich aufhält und wie ihr dahinkommt – das nimmt dem Buch verständlicherweise fast alle Spannung und Aha-, Oha-, und Wow-Momente.
Es gibt allerdings noch ein Problem mit der Spielwelt: Sie wirkt nicht bedrohlich. Wir sprechen immerhin von einer Stadt, in der eine Seuche getobt hat, in der das Chaos herrscht – aber stört uns das irgendwie? Wir rennen als super-mega Division Agent durch die Stadt und sind immun gegen jede Bedrohung, Krankheit, alles. Wir walzen durch New York we ein Bulldozerpanzerhulk. Zu keiner Zeit verspüren wir Angst, was sich hinter der nächsten Ecke verbirgt. Ich bin zwar kein großer Fan von Zombies, aber der ein oder andere Infizierte, der sich auf uns stürzt und panisch um Hilfe fleht oder ähnliches – es würde sehr zur Atmosphäre beitragen. Auch hier präsentiert sich Massive’s New York zu statisch und stumpf – de facto existieren in The Division keine Emotionen, sei es Angst, Sorge, Zuneigung oder irgendetwas anderes.
Womit wir bei der Story angelangt wären. Das Setting an sich bietet Potential. Die Umsetzung nicht. Gibt es einen Charakter im Spiel, bei dem ihr auch nur ansatzweise traurig wärt, wenn er verreckt? Oder eine der Figuren, die ihr so unglaublich böse findet, dass ihr sie in Stücke zerreißen wollt und euch das antreibt? Irgendwie nicht. Im Prinzip könnte am Ende eine Atombombe auf New York geworfen werden, die alle eure Verbündeten, Feinde und euren eigenen Charakter auslöscht – niemanden würde es stören. Ich habe selten eine so emotionslose Story gesehen. Doch wie soll eine Hauptfigur ohne Namen, die nicht sprechen kann, auch irgendeine Verbindung aufbauen. Auch die Idee mit den ECHOs zieht nicht so ganz: Ja, sie sind faszinierend gut gemacht, aber sie sind kein Ersatz für Cutscenes. Wenn ich mir die Videos anschaue, die ihr so auf eurer Reise findet, ist es sehr bedauerlich, dass Massive nicht mehr Zeit in Cutscenes gesteckt hat, denn diese Videos sind unglaublich atmosphärisch.
Fassen wir einmal zusammen: The Division, wenn es denn ein RPG sein soll, ist das eindimensionalste RPG, das ich je gespielt habe. Es fehlt an Atmosphäre, Emotionen, Entscheidungen, NPCs, Quests, usw. All die Dinge, die ein RPG ausmachen. The Division ist nicht mehr als ein Open World Third-Person-Shooter mit Bullet Sponge Gegnern. Das kann auch Spaß machen – aber es reicht nicht, um sich RPG zu schimpfen. Ein Role Playing Game bietet mir Möglichkeiten der Entfaltung und Entscheidung – wie ich das Spiel spiele, meinen Charakter und wie die Welt darauf reagiert. Davon finde ich nichts in The Division. Und das ist schade, denn gäbe es all diese Elemente, dann wäre der Titel wahrscheinlich das beste Game aller Zeiten. Jetzt ist es nicht mehr und nicht weniger als ein Casual Third-Person-Shooter – das ist nichts komplett schlechtes, aber noch lange nicht das, was es sein will.
Wie immer bei solchen Artikel entspricht das Gesagte zu 100% der Wahrheit und ist ein unumstößlicher Fakt. Solltet ihr also eine andere Meinung haben, solltet ihr sie ändern.
Kleiner Spaß – der Artikel spiegelt selbstverständlich nur die subjektive Meinung des Autoren wieder und nicht die des gesamten Teams.