Was wird aus der Witcher-Serie von Netflix? Wieder nur ein Flop oder doch eher die lang erwartete Offenbarung und ein Seitenhieb gegen Hollywoods lächerliche Versuche der letzten 25 Jahre, Spiele als Filme zu adaptieren?
Eine Kolumne von Max Flor
Die Liste ist bereits lang. Und sie offenbart, dass es Filmemachern noch nicht gelungen ist, bisher ein erfolgreiches Spiel als Film zu adaptieren. Wo soll man da nur anfangen? Am besten wohl chronologisch. Der erste Film, welcher auf ein Spiel basiert, war 1993 Super Mario Bros. Ein Graus, welchen man sich aber als Cineast wohl antun muss. So schlecht, dass es schon wieder Kult ist.
Danach folgten vor allem Mortal Kombat, Wing Commander, Street Fighter und 2001 auch die erste Tomb Raider Verfilmung. Sie alle haben eine Sache gemeinsam, genauso wie ihre Nachfolger, Resident Evil, Doom, Silent Hill oder DOA. Ja, Dead or Alive wurde auch verfilmt. Ich sah ihn etwa 2008 oder 2009 im Fernsehen. Ich glaube, deshalb bin ich heute auch so verkorkst. So einen Film darf man mit dem zarten Alter von 11 oder 12 nicht sehen.
Alle Filme einigt eine grottenschlechte Bewertung. Rechnet man alle Bewertungen aller Filme basierend auf Videospielen zusammen, dann kommen wir auf einen Durchschnitt von lediglich 17 %. Und in diesem Falle bestätigt nicht einmal eine Ausnahme die Regel. Denn es gibt keine Ausnahme. Die beste Bewertung erhielt Prince of Persia: The Sands of Time aus dem Jahre 2010. 36 % erreichte die Verfilmung von Ubisofts Kultgame. (Bewertungen von Rotten Tomatoes)
Auf Metacritic sind die Kritiker noch etwas gnädiger. Aber bis auf die Mortal Kombat Verfilmung von 1995 und die von Prince of Persia aus 2010 schaffte es kein Film, die 5.0 bei Metacritic zu knacken. Wundert’s wen? Es ist der ewig gleiche Versuch, ein Abenteuer aus dem enorm großen Universum eines Spiels in ein maximal zwei-Stunden-Film zu pressen. Wie soll das gehen? Die Welten aus Videospielen sind so enorm riesig, bieten so viel Inhalt, so viel Story – du kannst, wenn nur einen lächerlich kleinen Bruchteil in einem Film erzählen.
Außerdem funktionieren Filme und Videospiele gänzlich anders. Ein Videospiel dank seiner Freiheit des Spielers. Die Selbstständigkeit verschleiert die völlige Irrelevanz vieler Neben- oder sogar Haupthandlungen und Quests. Durch unser selbstständiges Handeln fühlen wir uns in eine Welt hineinversetzt, die wir erleben. Ein Film bekommen wir „erlebt“. Wir verlassen die Rolle des Protagonisten und müssen uns nun als Zuschauer zufriedengeben. Das kann nicht klappen.
Eine Mission wie in GTA V, wenn wir mit Jimmy ein Wettrennen auf dem Fahrrad machen und dann unsere Tochter vor „Porno-Dudes“ retten müssen, zwei miese Dialoge führen und dann wild auf dem Jetski herumballern. Dann ist das großes Kino – für ein Computerspiel. Die gleiche Szene als Film würde einem langweiligen Lückenfüller gleichkommen. Eigentlich ist die ganze Geschichte von GTA V eine reine Farce und mit wenig Sinn behaftet. Aber sie entfaltet ihre gesamte Wirkung dadurch, dass wir über 50 Stunden unserer Zeit in der Welt verplempern.
Wo waren die Serien in den letzten 25 Jahren?
Videospielverfilmungen scheitern an der Erzählung. Sie können die offene Welt, das Erlebnis und den Kitzel nicht auffangen und weiter transportieren. Die Filme bedienen sich Handlungen, die maßgeschneidert für ein Gaming-Erlebnis sind. Hitman brilliert durch die einzigartige Möglichkeit, einen Super-Agenten zu spielen, der jeden Gegner aus dem Nichts in das Nichts befördern kann. Assassin’s Creed schafft es (fast) jedes Jahr die Fans mit einer großen Welt und sich ineinandergreifenden Storys zu begeistern sowie den vielen Möglichkeiten, sich in die Welt zu integrieren. World of Warcraft funktioniert dank seiner monströs, großen Welt, die nicht nur abertausende Quests bietet, sondern auch viele Herausforderungen, die es mit Freunden und Gilden, echten Gemeinschaften, zu bestreiten gilt.
Im Hitman Film wurde auf rohe Gewalt gesetzt, statt den Fokus auf die bittere Geschichte hinter Agent 42 zu setzen. Assassin’s Creed will die Action und die Verbindung zwischen der DNA aus der Vergangenheit, mit der Gegenwart verknüpfen. Dabei versuchte man auf viel ermüdende Actionszenen und platte Dialoge, ein dunkles Szenario und verwirrende Story. Wie Harry Windsor vom Hollywood Reporter passend sagte, „die zwei Stunden des verworrenen Schwachsinns hätten vielleicht von einigen selbstironischen Witzen profitiert.“
Und Warcraft? Alles, worum es im riesigen Warcraft-Universum geht, ein Universum, größer als jedes andere Geschaffene vermutlich, ist der Streit zwischen Allianz und Horde. Der Kern der ganzen Geschichte ist der Konflikt der Andersartigen gegen die Elite. Doch Warcraft hat ein enormes Problem, durch die Fülle an Geschichten Drumherum konnte ein Film nur versagen. Wie soll man so viele Charaktere, soviel des Mythos von Azeroth, soviel der Geschichten und Zusammenhänge in einen Film verarbeiten, sodass jeder Zuschauer folgen kann – ohne sechs Stunden im Kinosaal verbringen zu müssen?
Dazu versuchen die Filme immer, auf den falschen Aspekt zu setzen. Nämlich den, der uns Spaß beim Spielen bereitet. In Hitman ist es schlichtweg das kreative Ausschalten von Menschen, aber als Film? In Assassin’s Creed ist es das auf Häuser hochklettern, Meuchelmorden und die Action. Und in Warcraft das Zusammen mit der Gruppe in einen Raid oder eine Schlacht zu ziehen. Doch dieser Aspekt ist nicht zwangsweise auch der, warum wir einen Film gucken wollen. Wenn ich plumpe Action will, gibt es Filmemacher die dieses Bedürfnis auf deutlich bessere Art und Weise stillen, hallo Emmerich.
Da ist es erstaunlich, dass bisher kaum einer sich getraut oder auf die Idee kam, eine hochwertige Serie basierend auf einem Spiel zu produzieren. 25 Jahre versuchte man vergeblich, Spiele als Filme zu adaptieren. Das sind schon viele Griffe auf die heiße Herdplatte, bis man es endlich Mal gerafft hat. Netflix traut sich endlich und produziert mit der Drehbuchautorin und Creator Lauren S. Hissrich die Witcher-Serie.
Eine kluge Entscheidung. Und es gibt viele Punkte, warum diese Serie nicht nur ein voller Erfolg, sondern auch von den Kritikern gelobt wird. Denn einerseits orientiert sich Hissrich an der Buchvorlage, nicht an den Spielen. Sie nimmt also eine Geralt-Vorlage, die bereits auf eine Erzählung in Büchern zugeschnitten ist und nicht auf den Computer.
Dazu kann die Geschichte rund um Hexer Geralt in einer Serie, mit etwa zehn bis zwölf Folgen pro Staffel à 50 Minuten, deutlich ausführlicher erzählt werden. Dadurch gewinnen wir nicht nur einen gänzlich neuen Blick auf Geralt und seine Beziehung zu Ciri, Yen, Triss und Vesemir, sondern können auch in Momenten emotionaler Tiefe viel intensiver eintauchen. Denn Geralt ist mehr als nur ein Monster schlachtender, Frauen verführender grauhaariger Hexer. Ja, Hexer haben angeblich keine Gefühle oder Emotionen. Doch gerade das macht die Serie so spannend, braucht aber auch einen guten Schauspieler, der Geralts häufige Emotionslosigkeit perfekt auf die Leinwand projizieren, aber gleichzeitig mit minimalistischen Gesten dann doch den Durchbruch eines Gefühles zeigen kann.
Wir haben also etwa zehn Stunden pro Staffel, um uns in Geralts Situation und anderer zu vertiefen. Und auch weitere Elemente aus den Spielen und den Büchern, wie das Jagen nach Monstern und andere Aufgaben für Menschen von Redanien für ein paar Kronen zu erledigen, können hier als richtige Handlung, und nicht nur nebenbei vorkommend, stattfinden. Dazu reicht auch die Zeit aus, um eine ordentliche Charaktervorstellung zu betreiben und die gesamte Welt Stück für Stück zu erklären.
Doch spricht für einen Erfolg auch, dass The Witcher nicht die erste Serie basierend auf einem Videospiel sein wird. Ihr fragt euch nun, von was für einer Serie ich hier zum Teufel rede?
Tron dient als bestes Beispiel für Qualität dank episodenhafter Erzählung
Nun, die Rede ist eher von einer animierten Serie. Tron: Uprising, deutscher Titel „TRON: Der Aufstand“. Diese Serie erhielt fast ausschließlich positive Resonanzen und ist entsprechend auch in seiner Qualität sehr hoch. Richtige Hollywood-Größen wie Elijah Wood, Bruce Boxleitner (ebenfalls in den Verfilmungen von Tron dabei) und Aaron Paul sind vertreten. Doch der Erfolg blieb aus und wegen niedrigen Quoten wurde die Serie gecancelt. Das ändert nichts daran, dass diese Show ein absolutes Highlight, vor allem für TRON-Fans, ist. Aber auch so bietet die Serie 18 Folgen lang gute Unterhaltung, natürlich auf einem besseren Level als die Filme. Deshalb hier mal ganz ungeniert eine Empfehlung für alle, sich die Serie bei Gelegenheit anzusehen.
Dass die Witcher-Serie dem gleichen Schicksal unterliegen wird wie Tron: Uprising ist unwahrscheinlich. Netflix‘ Machtstellung und Fähigkeit in der Vermarktung und die enorme Base an Fans und Spielern von The Witcher wird dafür sorgen, dass eine durchaus stabile Zahl von Zuschauern die Serie verfolgen wird. Wahrscheinlich werden sogar viele, die noch kein Netflix-Konto haben, sich extra für diese Serie eines zulegen.
Es wäre eine schöne Abwechslung, auch für die Gaming-Branche, eine Welt (wenngleich sie aus dem Buch gegriffen wurde) aus einem Spiel, auch auf dem Fernseher zu erleben. Denn vielleicht kommen auch die nächsten Produzenten darauf, erfolgreiche Videospiele als Serien zu adaptieren. Es ist ja nicht so, dass unsere Welt des Videospiels wenig zu bieten hätte. Im Gegenteil. Nur muss endlich Mal das Potential ausgeschöpft werden. Anstatt erneut zu versuchen, Lara Croft als Film zu realisieren. Ab dem 16. März werden wir dann das ganze Ausmaß des Übels sehen.