Am 1. Dezember ist es soweit, dann erscheint mit Rainbow Six: Siege ein neuer Teil der Tom Clancy Taktik-Shooter. Doch wie viel Rainbow Six steckt eigentlich in Siege? Wir werfen einmal einen Blick darauf.
Es ist schon fast erschreckend, wie ein doch wirklich grandioser Shooter von vielen gnadenlos in Grund und Boden kritisiert wird. Der Hauptgrund ist dabei meistens schnell gefunden: Siege ist für viele Fans des Franchises kein echter Rainbow Six-Titel. Aber ist das wirklich so?
Stellen wir uns die Frage, was ein Spiel im Rainbow Six-Universum so ausmacht. Ein passendes Beispiel dafür ist Rainbow Six 3 oder Raven Shield. Der Aufbau dieses Spiels unterscheidet sich gravierend von dem, was wir aus so vielen anderen Shootern kennen, was aber die Charakteristik der Rainbow-Spiele ausmacht: Jede Mission besteht aus einer Planungsphase und einer Durchführung. Während der Planungsphase bekommt ihr nicht nur ein kurzes Briefing rund um die vor euch liegende Aufgabe, ihr könnt dazu das Loadout der euch zur Verfügung stehenden Squads bearbeiten, die Map inspizieren und sogar eigene Routen für eure Teams bestimmen. Taktik-Fans kommen hier also ganz auf ihre Kosten. Auch die Missionen an sich spielen sich grundsätzlich anders als in Shootern wie Battlefield oder CoD: Ihr steuert bis zu drei Squads gleichzeitig und könnt sowohl zwischen den Teams als auch zwischen den einzelnen Team-Mitgliedern frei wechseln. Dazu habt ihr noch einige Shortcuts, um jedem Squad individuell Befehle zu geben – das Gameplay ist dementsprechend langsam, aber es will jeder Schritt durchdacht sein.
In Siege gibt es bekanntlich überhaupt keine Kampagne. Es gibt einige „Situations“ genannte Singleplayer-Missionen, die aber nicht im Ansatz an das Gefühl einer echten Rainbow Six-Kampagne rankommen. Shortcuts für Befehle fehlen auch – Siege baut darauf auf, dass ihr euch über VOIP oder externe Kommunikationsprogramme (Teamspeak 3, etc) miteinander absprecht. Das hat zwar seinen ganz eigenen Reiz, aber auch der wirklich gute Multiplayer kann nicht darüber wegtäuschen, dass die Kampagne einfach zu einem Rainbow Six-Titel gehört wie Nacktfotos in den Playboy (sollte man meinen).
Ein weiterer Aspekt, der in Siege komplett fehlt und üblicherweise und für alle Ewigkeit „What the…?“-Momente auslösen wird ist die Tatsache, dass es im ganzen Spiel keine Türen gibt. Das ist an sich ja schon merkwürdig genug, aber gerade in einem Rainbow Six-Spiel! Common Ubisoft! In Raven Shield sind Türen tief verwurzelt ins taktische Gameplay: Ihr könnt sie aufstoßen, stückweise öffnen oder auch einfach hochjagen. Gadgets zum Sprengen gibt es wie in Siege reichlich. Ihr könnt auch euer Team an einer Tür positionieren und dann entscheiden, wie ihr vorgeht: Einen Spalt öffnen und eine Granate rein, oder doch lieber aufbrechen und reinstürmen? All das fällt in Rainbow Six: Siege komplett weg, was vor allem den Drohnen geschuldet ist, aber ernsthaft: Es hätte Mittel und Wege gegeben. In einem Rainbow Six-Spiel erwarte ich eine funktionierende Tür-Physik.
Mit den Vegas-Teilen wurde der Fokus dann auf ein weiteres Feature gerichtet: Die Möglichkeiten der Charakter- und Waffenanpassungen waren so groß wie nie zuvor. Nein wirklich, in den Vegas spielen könnt ihr eure Figuren bis zum letzten mit neuen Ausrüstungsteilen ausstatten. Das hat vielen Gefallen, andere Änderungen der Vegas-Titel stießen dagegen nicht so sehr auf Begeisterung (zum Beispiel der Wechsel in die Third-Person-Perspektive, wenn man in Deckung geht). Doch auch die Vegas-Spiele haben noch einigen Rest an Taktik und vor allem Türen zu bieten, unter denen ihr mit eurer Spycam in den dahinter liegenden Raum spähen und Gegner markieren könnt.
In Rainbow Six: Siege fehlen einige der Kernelemente früherer Teile. Charakteranpassung, Kampagne, KI-Kameraden und Türen-Physik sind die, welche am meisten auffallen. Doch hat Siege den Rainbow Six Beisatz damit nicht verdient? Wir finden doch, absolut. Schon die beiden Teile der Vegas-Reihe stießen bei Fans der alten Rainbow Six-Spiele auf nicht viel Gegenliebe, waren aber trotzdem Rainbow Six-Titel. Gute Franchise entwickeln sich weiter, so wie etwa wirklich gute Bands auch nicht ihr ganzes Leben lang immer den selben gleichen Klang haben. Rainbow Six: Siege wird allen ernstes dafür kritisiert, dass es so viel anders macht? Vieles ist eine Frage des Geschmacks, aber eine grundsätzliche Evolution ist doch genau das, was Spiele-Reihen brauchen? Was ist denn, was wir alle an Call of Duty oder Assassin’s Creed so überaus langweilig finden? Richtig, diese Spiele bleiben immer gleich. Das neue Assassin’s Creed ist unserer Meinung nach das langweiligste der ganzen Reihe, weil es einfach überhaupt nichts anders macht. Fallout 4 ist ebenfalls ein Beispiel dafür: Das Spiel an sich ist großartig, aber auch irgendwie nicht, weil es im Prinzip gameplaytechnisch keine Weiterentwicklung gibt. Ihr spielt die gleiche Art von Quests auf die gleiche Art wie in allen Teilen vorher – Fallout 4 schafft es trotzdem, zu fesseln, aber das verschwendete Potential ist klar zu sehen.
In unseren Augen macht Rainbow Six: Siege genau das richtig: Es bleibt ein taktischer Team-Shooter, was im Kern das ist, was die Rainbow Six-Reihe ausmacht. Mit dem Fokus auf Kommunikation, der ausgereiften Zerstörungs-Physik, dem Operator-System und mit vielen anderen Ideen bringt Siege dazu aber viel frischen Wind ins Genre und gibt Rainbow Six genau das Facelifting, das ein Reboot der Reihe gebraucht hat. Absolut grandios wäre es natürlich gewesen, wenn die Entwickler es geschafft hätten, weitere Kernelemente der alten Teile ins neue Spiel zu integrieren, wie etwa Kampagne, KI-Kameraden und Türen. Ubisoft folgt mit Siege einem Trend, der klar hin zu Multiplayer-Titeln geht. Doch gerade und ausgerechnet Call of Duty: Black Ops 3 zeigt, dass ein Shooter durch eine hervorragende Kampagne so viel besser werden kann. Für einen etwaigen zweiten Teil einer Siege-Reihe wünschen wir uns deshalb: Findet den besten Mittelweg zwischen „Back to the Roots“ und „Neu ist immer besser“ – das ist, was ein großartiges Spiel von einem sehr guten unterscheidet.
Wie steht ihr dazu? Ist Siege für euch ein echter Rainbow Six-Titel oder nicht? Schreibt uns eure Meinung in die Comments!