Mobile Shooter sind unter den meisten Gamern verpöhnt – nicht ganz zu Unrecht, da viele die begrenzten Möglichkeiten der Touch-Steuerung bemängeln. Aber sieht es wirklich so düster aus um die Ballerspiele für unterwegs? Wir werfen einen Blick auf die mobile Shooter-Szene.
Das Angebot an Shootern für Smartphones und Tablets ist nicht minder gewaltig als das für andere Plattformen wie PC und Konsolen. Sucht man allerdings nach einem wirklich brauchbaren Mobile Shooter, ist die Auswahl dann doch arg begrenzt. Und selbst diese wenigen sind weit entfernt davon, perfekt zu sein – zu viel läuft schief. Manche mobile Shooter scheitern am Konzept, manche an der Grafik, einige an den fehlenden Mitteln der Entwickler und nicht wenige am zu hohen Fokus auf IAP (In-App-Purchases). Im Folgenden schauen wir uns einige konkrete Beispiele an und beleuchten ihre Stärken und Schwächen. Zum Abschluss beantworten wir dann die Frage, ob mobile Shooter aus unserer Sicht überhaupt etwas taugen, ob Ballerspiele auf dem Handy jemals gut werden können und wenn ja, wie sie aussehen müssten, um unseren hohen Ansprüchen zu genügen.
GLU-Games
Lasst die Finger davon. Das ist ein ganz offener Appell an alle Menschen da draußen, niemals und nie wieder einen Titel dieses Entwicklers runterzuladen. GLU benutzen ein einziges Schema für ihre Spiele, das sie dank einiger Lizenzen in verschiedene Themen stecken (jüngste Beispiele – Terminator Genisys und Mission Impossible). Das Prinzip: Euer Charakter huscht von Deckung zu Deckung, ist nicht frei steuerbar und hat unbeachtet des Spiels immer das selbe Repertoire an „Fähigkeiten“. Der Hauptfokus aller GLU-Titel liegt allerdings auf IAP – nach ein oder zwei Missionen werdet ihr stets dazu gezwungen, eure Waffen durch sinnlose Upgrades aufzubessern, um fortfahren zu können. Upgrades, neue Waffen oder Gadgets sind meist so überteuert, dass ihr zum Weiterkommen auf Echt-Geld zurückgreifen müsst. Fazit: Langweiliges, immer gleich bleibendes Konzept und Fokus auf IAP – kein Wunder, dass Mobile-Gaming und mobile Shooter nicht ernst genommen werden. Deartige „Pseudo“ Third-Person-Shooter ruinieren eine Plattform.
Modern Combat 4
Grafisch hat der vierte Teil der Modern Combat-Reihe Federn lassen müssen im Vergleich zum Vorgänger. Auch die Steuerung ist nicht die allerbeste auf dem Markt. Was aber gerade bei MC4 brilliant ist (und sogar besser als bei vielen Konsolen/PC-Shootern), ist das Waffenaufsatz-System. Jede Waffe kann mit verschiedenen Aufsätzen aufgerüstet werden, welche unterschiedliche – und vor allem spürbare! – Auswirkungen aufs Gameplay haben. So kann der Spieler beispielsweise nicht nur zwischen verschiedenen Visieren, Schalldämpfern und Griffen wählen, sondern auch zwischen verschiedenen Schulterstützen (englisch: Buttstocks), welche sich entweder positiv auf den Rückstoß oder die Bewegungsfreiheit auswirken. Uns ist kaum ein Spiel bekannt, das so tiefgreifende und spürbare Anpassungsmöglichkeiten für unsere virtuellen Schießprügel bietet. Daneben bieten alle Modern Combat-Teile einen zumindest ordentlichen Singleplayer mit vielen abwechslungsreichen Missionen und halbwegs spannender Story – selbst das können viele Konsolen/PC-Shooter nicht für sich beanspruchen. Leider machte Gameloft mit Modern Combat 5: Blackout einen großen Schritt rückwärts – Das Anpassungs-System, im Vorgänger noch so großartig, ist in MC5 allenfalls durchschnittlich. Grafisch hat sich wenig getan, Animationen wurden zumeist aus dem Vorgänger übernommen, die Steuerung schwächelt weiterhin – vor allem aber das Monetarisierungs-System des Spiels ist grauenvoll. Zunächst wurde Blackout als Premium-App vermarktet – Spieler bezahlten einmal, dann „nie wieder“. Zum Launch gab es wie versprochen keine IAPs im Game. Das allerdings änderte sich schon mit dem ersten Update. Inzwischen ist MC5 ein Free2Play-Game – verseucht mit diversen Pay2Play-Features. Der Singleplayer verschlingt pro Mission Energie, im Multiplayer könnt ihr viele Gegenstände nur über Random-Boxen freischalten, welche äußerst selten sind – außer ihr zahlt dafür. Es zeichnet sich ein Trend ab, dass Mobile Shooter immer weniger Qualität zu immer höheren Preisen hinter einem angeblichen „Free2Play“-Modell vergeben.
Dead Trigger, Dead Trigger 2 und Unkilled
Nachdem sie 2011 mit Shadowgun bereits einen sehr erfolgreichen Third-Person-Shooter veröffentlicht hatten, entschlossen sich die tschechischen Entwickler von Madfinger Games dazu, auf den Zombie-Hype-Train aufzuspringen. Mit dem ersten Teil „Dead Trigger“ landeten die Devs einen Volltreffer: Mit mehr als 26 Millionen Downloads allein im Google Playstore gehört der Shooter zu den erfolgreichsten seiner Art auf mobilen Geräten. Und das völlig zurecht: Das Spiel hat eine für einen Mobile Shooter exzellente Grafik, die wohl beste Steuerung auf dem Markt und viel Unterhaltungswert. Es ist nicht übertrieben, hier von einer Revolution der mobilen Shooter-Spiele zu sprechen. Dementsprechend aufgeregt waren die Fans, als Madfinger für 2013 den zweiten Teil der Reihe ankündigten – teils zu vorschnell, wie sich später herausstellen sollte. Zwar setzte Dead Trigger 2 grafisch und von der Steuerung her wieder ein deutliches Zeichen – doch der Rest des Spiels ist für echte Gamer eher unbefriedigend. Die Auswahl an Missionen ist stark begrenzt, das Versteck, Gadgets und Waffen brauchen Tage, bis sie gebaut oder verbessert sind (es sei denn, man bezahlt mit Gold, sprich Echtgeld) und die Story ist mehr als unbefriedigend – und nicht einmal wirklich vollständig. Die Entwickler lassen ihr – nachweislich vorhandenes – Potential verpuffen und verschwenden Spielressourcen an unnütze Zugaben wie Dekorationen für das Versteck der Spieler. Waffen unterscheiden sich vom Spielgefühl kaum voneinander, die Animationen sind langweilig, die verschiedenen Missionen, Maps und Zombies einander viel zu ähnlich. Der von vielen Fans herbeigesehnte Multiplayer bleibt weiterhin nur ein Wunsch. Anfänglich für jeden Monat versprochene Updates lassen teilweise mehr als ein halbes Jahr auf sich warten – die Liste der Mängel ist lang, der Rückschritt zu Dead Trigger klar erkennbar. Mit über 40 Millionen Downloads ist das Spiel aber gerade bei Casuals sehr beliebt – Spieler, die echte Tiefe suchen, werden auch hier nicht fündig.
Für 2015 gaben die Entwickler dann überraschend bekannt, an einem neuen Mobile Shooter zu arbeiten. Der heißt nicht wie erwartet Dead Trigger 3, sondern Unkilled. Wieder schürten das Studio die Erwartungen der Spieler – mit Versprechungen wie „der nächste Schritt im mobilen Gaming“, „tolle Upgrades für Waffen“, „über 300 verschiedene Missionen“ und alle möglichen anderen großspurigen Ankündigungen. Was die Spieler am Ende bekommen haben, ist eine halbe Katastrophe – ein Spiel, fast wie ein GLU Titel. Grafisch und von der Steuerung wieder exzellent, ist das Spiel in fast jeder sonstigen Hinsicht eine Frechheit – wir empfehlen euch wärmstens unseren detaillierten Bericht zum Spiel. Grafik und Steuerung – hier zeigen die Entwickler, was wirklich machbar ist auf Smartphones. Das zumindest lässt uns weiter daran glauben, dass mobile Shooter eine Zukunft haben.
Coalition
Ein Indie-Shooter für Android, der zumindest verdient, erwähnt zu werden: Das Spiel überzeugt mit vier Klassen, vielen Waffen, die allesamt schick animiert sind – und wenn wir ehrlich sind, das macht schon einiges her in Spielen, wo es nunmal hauptsächlich um unsere virtuellen Schießgeräte geht. Das Spiel hat zudem ein relativ schlichtes, funktionales HUD, anders als viele andere Mobile Shooter, deren Benutzeroberfläche zugekleistert ist mit oft unnützen Anzeigen und Informationen. Sehr interessant, wenn auch unausgereift sind die Bewegungsanimationen: Läuft der Spieler, senkt der Charakter im Spiel die Waffe, was für mehr Überblick sorgt – und nicht zuletzt gar nicht so unrealitisch ist. Bewegt der Spieler seine Figure seitwärts, lehnt sie sich leicht in die eingeschlagene Richtung – was einen sehr nützlichen Lean-Effekt zur Folge hat. Leider sind wie bereits erwähnt diese Animationen nicht ausgereift. Der Shooter schwächelt bei der Grafik und vor allem bei der Steuerung: Diese ist nicht nur sehr unempfänglich, sondern versagt innerhalb einer Runde irgendwann komplett, will heißen, ihr könnt euch kaum noch umsehen und seit leichte Beute für eure Gegner. Da der Shooter auf vorgefertigten Unity-Assets basiert und die Entwickler auf Anfragen unsererseits bisher nicht reagiert haben, zweifeln wir sehr daran, dass das Spiel noch weitere Patches und/oder Updates erhält. Schade! Ähnliche Shooter wie Coalition gibt es dutzende im App- oder Playstore. Die Unity-Engine ist durchaus potent, vor allem auch auf mobilen Endgeräten. Leider sind die allermeisten dieser Spiele aus fertigen Assets aus dem Unity Store zusammengebastelt und bekommen selten mehr als ein oder zwei Updates. Brauchbare Ansätze sind also vorhanden – allerdings fehlt es an fähigen Indie – Entwicklern, die mehr können als nur vorhandene Assets zusammenzubasteln.
Mobile Shooter, ja oder nein?
Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass alle Voraussetzungen für einen guten Shooter für Handys und Tablets gegeben sind. Was fehlt sind die Entwickler, welche bereit sind, den Aufwand zu betreiben und die Liebe zum Detail haben, um ein solches Spiel bewerkstelligen zu können. Das Potential ist auf jedenfall vorhanden:
- Die Hardware ist imstande, gute Grafik und viele Animationen, Content und Features zu verarbeiten. Dazu existieren fähige Engines, wie etwas Unity 5.
- Viele Shooter haben gute Ansätze, sind allerdings nicht konsequent genug. Vor allem mangelt es an Wiederspielwert und Langzeitmotivation.
- Der Fokus sollte von IAPs weg zu mehr Premium-Spielen gehen, die ruhig auch mal mehr als 5 Euro kosten dürfen, wenn die Entwickler dafür größtenteils oder vollständig auf Minitransaktionen verzichten und das Spiel die nötige Qualität hat.
- Die Steuerung von Dead Trigger, Dead Trigger 2 und Unkilled kann gut mithalten mit der Steuerung auf Konsolen, unter anderem auch, da die Möglichkeit besteht, auf einen Controller auszuweichen. An die Genauigkeit eines PC Shooters kommt die Touch-Steuerung natürlich nicht annähernd ran.
Schauen wir uns das derzeit vorhandene Material an, wird deutlich, dass der übermächtige Fokus auf In-App-Purchases droht, das Genre völlig zu zerstören. Auch wenn wir uns nur auf einige wenige Beispiele konzentriert haben, für die allermeisten Mobile Shooter gilt: Entwickler sind geneigt, möglichst viele Titel nacheinander zu veröffentlichen, um möglichst viel Geld aus der Community zu pressen. Innovationen, Qualität und Weiterentwicklung bleiben dabei völlig auf der Strecke. Es fehlen fähige und motivierte Indie-Entwickler, welche bereit sind, Aufwand und Zeit in die mobile Plattform zu investieren, um mit gutem Material Druck auf die etablierten Studios auszuüben. Geschieht dies nicht, werden Mobile Shooter trotz allem Potential niemals höheren Standards entsprechen und auf ewig nur Casual-Spieler erfreuen. Für die Entwickler stellt das wahrscheinlich keinen Verlust dar – aber umso mehr für die Gaming-Branche, deren Kommerzialisierung immer neue, traurige Höhepunkte erreicht und jedes echte Gamerherz zum Bluten bringt.
Mobile Shooter – wie steht ihr zu dem Thema? Glaubt ihr an das Potential der Plattform? Oder kommt euch kein Ballerspiel aufs Handy? Schreibt uns eure Meinung dazu in die Comments!