
Der Spiele-Publisher Ubisoft ändert seine Nutzungsvereinbarungen. Es ist ein weiterer Schritt Richtung Abgrund.
Schritt Richtung Abgrund? Das klingt in der Tat sehr dramatisch. Und überhaupt, hat der Autor dieser Zeilen nicht vor weniger als einem Jahr noch behauptet, Ubisoft sei einer der besten Publisher überhaupt?
Hat er. Und kann umso weniger fassen, wie schnell Ubisoft nach dem Aufschwung, der Verwandlung zu einem Unternehmen, dem seine Kunden wirklich wichtig schienen, in das genaue Gegenteil abdriftet.
Angefangen mit dem katastrophalen Release von Ghost Recon Breakpoint. Der Titel steht stellvertretend für alles, was bei Ubisoft falsch läuft. Ignoranz – man glaubt besser zu wissen als die Spielerschaft, was die Fans wollen. Arroganz – Fehler werden nicht eingesehen, im Gegenteil, eigentlich fühlt der Publisher und Entwickler sich nur missverstanden. Floppt ein Spiel wie Breakpoint, sind es die Spieler, die noch nicht bereit dafür waren. Gier – Ubisofts Studios entwickeln keine Spiele mehr, setzen keine tollen Ideen mehr um, teilen den Spielern keine Geschichten mehr mit, die sie unbedingt erzählen wollen. Ubisofts Studios entwickeln Produkte, Geldmaschinen, Massenware ohne Seele und ausgerichtet auf den höchstmöglichen Gewinn mit möglichst wenig Aufwand. Immerhin ist Ubisoft ein Börsenunternehmen. Die Anleger zählen, nicht die Spieler.

Und fürwahr, geringeren Aufwand als Ubisoft derzeit könnte man nicht betreiben. Während Entwickler wie Infinity Ward Update über Update für ihre Spieler raushauen, bleibt es bei Ubisofts groß angekündigtem „Langzeitprojekt“ Breakpoint monatelang still. Folgen der Coronakrise, könnte man meinen, doch scheint diese dann bei Ubisoft Paris schon im Oktober letzten Jahres begonnen zu haben.
Aber nicht nur Breakpoint, welches ein wahrscheinlich für immer verlorenes Disaster bleiben wird und Fans der Franchise mit gebrochenen Herzen zurücklässt, ist ein Beweis dafür, wie Ubisoft vom Weg abgekommen ist. Das Entwicklerteam von Rainbow Six Siege wurde offenbar vollständigt ausgetauscht. Die Konsequenz daraus ist eine noch rasantere Entwicklung weg von den ernsten Wurzeln der Rainbow Six Franchise hin zu einem comic-haften Helden-Shooter im Stile eines Overwatchs oder Valorants. Neue Updates werden immer kleiner und man spart Aufwand, wo man nur kann. So gibt es seit mehreren Season schon keine neuen Waffen mehr für neue Operatoren, sondern alte werden mit der fadenscheinigen Begründung des besseren Balancings wiederverwertet. Nur an kitschigen Skins spart man nicht – die Fortnite-Crowd muss ja angelockt werden.
The Division 2 ist ein weiteres Beispiel. Man kann darüber streiten, ob es in Ordnung ist, eine Erweiterung wie Warlords of New York mit einem Preisschild von 30 Euro zu versehen. Kostenpflichtige Add-ons in Spielen sind nichts neues und auch vollkommen akzeptabel, allerdings nicht, wenn der bisherige Content, für den Spieler bis zu 120 Euro bezahlt haben, eine einzige Peinlichkeit ist. „Kostenlose“ Content-Updates hatten genau die Qualität, die man erwarten würde, wenn man jemanden für seine Arbeit nicht bezahlt. Ganz zu schweigen davon, dass die Entwickler von Massive es nach einem ordentlichen Ende des ersten Teils es erneut geschafft haben, den Fokus des zweiten Teils komplett in den Sand zu setzen. „Endgame first“ heißt es da immer. Darunter hat besonders die Story des Spiels gelitten, die man als solche eigentlich gar nicht betiteln darf, denn es passiert eigentlich nichts erzählenswertes während eurer Missionen in DC. Einzig nennenswert ist die Tatsache, dass ihr Vanity-Items, also Klamotten, die ihr im New York des ersten Teils noch in der Welt gefunden habt, nun hauptsächlich aus Lootboxen zieht, die entweder durch langes grinden oder natürlich mit Echtgeldeinsatz erworben werden können. Wie toll.
Und das Endgame war und ist trotzdem schlecht. Es ist jetzt, nach vielen Updates, etwas besser. Zumindest wenn ihr die 30 Euro für WONY bezahlt habt. Aber auch hier ist oben erwähnter Aufwand eher gering – Ubisoft sträubt sich dagegen, ihre Spiele wirklich umzukrempeln. Hauptsächlich wird mit Zahlen jongliert, Werte werden hier ein bisschen angepasst, da ein bisschen angepasst, et voilà, Loot 2.0 ist fertig.

Ubisoft. Der Name steht leider inzwischen für schlechte Produkte, ohne Liebe und Leidenschaft in Massen auf den Markt geworfen. Die Spiele gleichen sich in ihren Features so lächerlich, dass man manchmal zweimal hinschauen muss, ob man jetzt ein Assassin’s Creed oder ein Ghost Recon spielt. Und Fans der Splinter Cell Reihe schauen komplett in die Röhre – bis auf Gastauftritte in anderen Spielen gibt es für sie nämlich gar nichts.
Nach dem Desaster, welches Breakpoint war und ist, hat man bei Ubisoft reagiert. Nicht auf das Feedback der Spieler hin, nein. Vielmehr auf die Wut der Anleger hin, da die Ubisoft-Aktie angesichts der katastrophalen Wertungen für Breakpoint und den damit verbundenen bescheidenen Verkaufszahlen in den Keller purzelte. Man reagierte, indem man alle Titel, die noch in Entwicklung sind, nach hinten verschoben hat, um an deren Ausrichtung und Einzigartigkeit zu feilen. Was im Prinzip soviel heißt wie: Hätten die Aktionäre Ubisoft nicht den Hintern versohlt, wären auch Watch_Dogs Legion, Assassin’s Creed Valhalla und alle anderen Spiele mehr oder weniger fade Open-World-RPG-Games of a Service-pfffffffffffffffffffff geworden. Mit ganz viel farbigem Loot, Bulletsponge-Gegnern und der unausweichlichen Wucht an Mikrotransaktionen.
Wie gut, dass man inzwischen das Battlepass System für sich entdeckt hat. Rainbow Six Siege hat dann jetzt auch einen Battlepass. Mit den Season Passes, den Bezahlskins, den Eventlootboxen und Boostern war das Spiel ja aber vorher auch extrem unter-monetarisiert. Die Entwickler standen quasi kurz vor dem Hungertod. Es kann eigentlich nicht mehr allzulangen dauern, bis Ubisoft ein Abomodell wie Fallout 1st in Siege einbaut. Oder vielleicht Coins, die Spieler zum starten einer Partie benötigen? Die Spitze des Berges scheint noch lange nicht errreicht.

Damit kommen wir zurück auf den Einstieg in diesen Artikel. Ubisoft ändert seine Nutzungsbedingungen. Da heißt es neuerdings, dass aller Nutzer generierter Content im Bezug auf Ubisoft-Spiele vollständiges Eigentum des Publishers ist. Das bedeutet auch, dass Ubisoft euch verpflichtet, all euren Content zu jeder Zeit, sollte der Publisher es verlangen, von euch an Ubisoft übergeben werden muss. Ubisoft nimmt sich das Recht heraus, diesen Content in jeglichem Ausmaß zu nutzen, ohne den eigentlichen Ersteller auch nur erwähnen zu müssen.
Ubisoft sagt auf der anderen Seite aber, dass im Falle eines Copyright- oder ähnlichen Verstoßes im Zusammenhang mit User generiertem Content der Ersteller haftbar sei. Paradox oder? „Wir nutzen deinen Content ohne dich zu fragen wann immer wir wollen ohne dich zu erwähnen. Sollten wir aber Ärger deswegen bekommen, bist du dafür verantwortlich.“ Der Youtube-Channel „Upper Echelon Gamers“ fasst in seinem neuesten Video diese und andere Änderungen an den Nutzerbedingungen für euch zusammen. Wichtig ist auch zu erwähnen, dass Ubisoft nicht zwingend so handeln muss, nur weil es in den Nutzungsbedingungen steht. Sie nehmen sich aber das Recht heraus, es zu tun, wenn sie denn wollen. Im Falle der Fälle blieben dann natürlich noch zu prüfen, ob dies auch mit den jeweiligen Gesetzen zu vereinbaren ist. Ein Unternehmen kann in seine ToS im Prinzip alles schreiben – gesetzlich verbindlich ist es dadurch noch lange nicht.
Ubisoft. Der Publisher hatte die Kurve bekommen und Spieler, Kritiker und Fans wieder auf seiner Seite. Das Blatt wendet sich. Ich kann derzeit niemandem empfehlen, einen Ubisoft Titel zu kaufen oder zu spielen.
Update:
Ganz so schlimm wie angenommen scheinen die Änderungen an den Nutzungsbedingungen doch nicht zu sein. Ubisoft scheitert hier wohl nur daran, sich anständig auszudrücken. Der Youtuber Hoeg Law erklärt in seinem neuesten Video, wie die ToS tatsächlich zu deuten sind.